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© Gitta Pieper-Meyer

USA: Was läuft falsch bei den Geheimdiensten?

Den US-Geheimdiensten wird seit Jahren vorgeworfen, mehr zu konkurrieren als zusammenzuarbeiten. Auch Präsident Obama hat sie nach dem vereitelten Flugzeuganschlag bei Detroit kritisiert. Was läuft falsch?

Präsident Barack Obama hat am Donnerstagabend den Bericht über die Versäumnisse vorgestellt, die es dem Nigerianer Umar Faruk Abdulmutallab an Weihnachten ermöglicht hatten, mit Sprengstoff ein Flugzeug zu besteigen. Nach Obamas Worten hatten die Geheimdienste genügend Hinweise auf den Attentäter, um ihn bereits vor dem Abflug in Lagos oder Amsterdam überprüfen zu lassen. Doch die Warnungen lagen verschiedenen Stellen vor und wurden „nicht verknüpft“. Es habe „nicht Versäumnisse beim Sammeln von Informationen“ gegeben, sondern bei der Auswertung.


Wie sind die US-Geheimdienste organisiert?

Die Vereinigten Staaten unterhalten 16 Geheimdienste und Auswertungsbehörden. Auch das auf Strafverfolgung ausgerichtete FBI wird zur Intelligence Community gezählt; es führte die ersten Verhöre Abdulmutallabs. 15 dieser Dienste sind Fachministerien zugeordnet, die meisten dem Pentagon. Nur die Central Intelligence Agency (CIA) hat einen eigenständigen Status.

Zum Verteidigungsministerium gehören acht Dienste: je einer der drei Teilstreitkräfte Heer (Army Military Intelligence, MI), Luftwaffe (Air Force Intelligence, Surveillance and Reconnaissance Agency, AFISRA) und Marine (Office of Naval Intelligence, ONI) sowie des Marine-Corps (Marine Corps Intelligence, MCIA). Dazu die National Security Agency (NSA), die unter anderem für Abhörprogramme innerhalb der USA und rund um die Welt zuständig ist. Sie ist der mit Abstand größte Dienst, auch größer als die CIA. Dem Pentagon unterstehen ebenso die auf Rüstungsspionage spezialisierte Defense Intelligence Agency (DIA), die National Geospacial Intelligence Agency (NGA) und das National Reconnaissance Office (NRO).

Getrennte eigene Dienste, insgesamt sieben, unterhalten das Energieministerium (Office of Intelligence and Counterintelligence, OICI), das für Grenzsicherung und Katastrophenschutz zuständige Ministerium für Heimatschutz (Office of Intelligence and Analysis, I & A, und Coast Guard Intelligence, CGI), das Justizministerium (Federal Bureau of Investigation, FBI, und Drug Enforcement Administration, DEA), das Außenministerium (Bureau of Intelligence and Research, INR) sowie das Finanzministerium (Office of Terrorism and Financial Intelligence, TFI).

Wie werden die Dienste koordiniert?

Das Problem, dass die einzelnen Dienste jeder für sich arbeiten und ihre Informationen nicht genügend austauschen, hatte sich bereits 2001 beim Terrorangriff auf New York mit gekaperten Flugzeugen gezeigt. Der Untersuchungsbericht ergab, dass an verschiedenen Stellen genügend Hinweise vorlagen, um die Tat zu verhindern. Als Konsequenz wurde ein Koordinator eingesetzt: der Director of National Intelligence (DNI). Bei ihm sollen alle relevanten Informationen zusammenlaufen. Er trägt nun auch dem Präsidenten die morgendliche Lageanalyse vor. Zuvor tat das der CIA-Chef.

Die Kooperation und der Datenaustausch treffen allerdings auf mindestens drei größere Hindernisse. Erstens begrenzen Gesetze zur Verhinderung eines Polizeistaats und zum Datenschutz den Informationsaustausch. Als Lehre aus Hitlers Gestapo-Staat wurden, zum Beispiel, FBI und CIA nach dem Zweiten Weltkrieg strikt getrennt. Zweitens ist die Datenflut so groß, dass die Bedeutung von Hinweisen, die sich im Rückblick als relevant herausstellen, leicht übersehen wird. Der Warnung aus Nigeria, Abdulmutallab solle vor Ausstellung eines neuen Visums überprüft werden, maß man in Washington wenig Gewicht bei. Täglich gehen hunderte solche Visawarnungen aus den rund 180 US-Botschaften weltweit ein. Drittens gibt es Eifersüchteleien zwischen den einzelnen Diensten und ihren Leitern.



Welche Schwächen wurden jetzt sichtbar?

Zu den wichtigsten Versäumnissen bei diesem Anschlag kam es an fünf Stellen – sowie durch mangelnden Austausch zwischen ihnen. Betroffen sind NSA, CIA, INR, FBI und DNI. Die NSA hatte seit August Kommunikation abgefangen, wonach Al Qaida im Jemen einen Nigerianer für einen Anschlag an den Feiertagen vorbereite. Die Warnungen, mit denen sich Abdulmutallabs Vater im November an die US-Botschaft in Nigeria wandte – sein Sohn äußere extremistische Ansichten und sei abgetaucht, vermutlich im Jemen – wurden sowohl an die Visaabteilung des US-Außenministeriums und dessen Dienst INR weitergeleitet als auch an die CIA, die ihre eigenen Mitarbeiter in den Botschaften hat. Bei der Kommunikation mit dem Außenministerium kam es zudem zu einem Schreibfehler im Namen, so dass man dort zunächst dachte, Abdulmutallab habe gar kein Visum für die Vereinigten Staaten.

Am Ende wurde der Name Abdulmutallab auf die TIDE-Liste gesetzt (Terrorist Identities Datamart Environment), die 550 000 Personen enthält, die allgemein wegen ihrer Kontakte unter Verdacht stehen. Er kam aber weder auf die viel kleinere Selectee List mit rund 14 000 Namen, die für eine scharfe Kontrolle vorgesehen sind, noch auf die No-fly-Liste von ungefähr 4000 Personen, die gar nicht in die USA fliegen dürfen. Diese Watch-Listen werden vom FBI geführt.

Für die Zusammenführung aller Hinweise der unterschiedlichen Dienste ist der DNI, der Koordinator, zuständig. Doch er arbeitet mit den Daten, die ihm als besonders relevant zugesandt werden. Im Fall der Al Qaida im Jemen verfolgten die US-Dienste besonders intensiv deren Vorbereitung von Anschlägen im Jemen und in Saudi-Arabien sowie weitere Aktivitäten im arabischen Raum. Sie hatten nach jüngsten Berichten nicht mit einem Anschlag auf Ziele innerhalb der USA gerechnet und auch nicht mit einem einzeln agierenden Täter an Bord eines Flugzeugs.


Welche Reformen plant Obama?

Obama sagt einerseits, es sei zu „menschlichen Fehlern“ und einem „Versagen des Systems“ gekommen. Andererseits benennt der US-Präsident keine Hauptschuldigen, möchte niemanden entlassen und schlägt bisher auch keine strukturellen Veränderungen vor. Er hat angeordnet, dass alle Dienste den vorhandenen Warnungen künftig schneller und aggressiver nachgehen müssen. Obama verlangt eine Ausweitung der No-fly-Liste. Und er möchte eine Milliarde Dollar für verbesserte Kontrollen an den Flughäfen ausgeben. Darunter soll auch die Anschaffung von Ganzkörperscannern, die Plastiksprengstoff unter der Kleidung aufspüren, fallen.

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