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US-Präsident Donald Trump

© dpa/AP/Evan Vucci

USA wollen neues Atomabkommen mit Iran: Plötzlich braucht Donald Trump die Europäer

Der US-Präsident will mit Iran ein neues Abkommen aushandeln und braucht dazu die EU. Doch die will die alte Vereinbarung retten.

Von Hans Monath

Das Seufzen der Erleichterung über den Verzicht des US-Präsidenten auf weitere Militärschläge gegen den Iran war in Berlin auch am Tag nach dem Auftritt von Donald Trump unüberhörbar. „Auf jeden Fall hat sich die Situation erheblich entspannt in den letzten Stunden“, erklärte Außenminister Heiko Maas (SPD) am Donnerstag im ARD- Morgenmagazin. Tatsächlich scheint eine weitere militärische Konfrontation vorerst abgewendet. Doch für die deutsche und die europäische Diplomatie hat sich die Lage keineswegs entspannt. Womöglich ist sie nun sogar noch stärker gefordert als vor Trumps Statement.

Denn der US-Präsident wartete mit unbequemen Forderungen auf: Großbritannien, Deutschland, Frankreich, Russland und China sollten endlich einsehen, dass das Atomabkommen mit Teheran eine nukleare Bewaffnung nicht verhindere. Das Land müsse zudem seine Unterstützung des Terrorismus beenden. Die Signatarmächte des Atomvertrags sollten nun mit den USA zusammen versuchen, ein umfassendes Iran-Abkommen zu schaffen, das die Welt friedlicher mache. Die EU müsse in der Region mehr tun.

In Berliner Koalitionskreisen wird dies auch als Versuch Trumps gesehen, in einer Zwangslage, in die er sich durch die Tötung von General Soleimani gebracht hat, andere Staaten in Verantwortung zu nehmen. Doch gilt als sicher, dass die US-Forderungen nach europäischen Beiträgen zur Eindämmung der destruktiven Rolle des Irans in der Region nun tatsächlich drängender vorgebracht werden.

EU sieht altes Abkommen als Stabilitätsfaktor

Trumps Forderung nach Aufkündigung des Atomabkommens erteilten die EU und Maas eine klare Absage. Nach einem Telefonat von EU-Ratschef Charles Michel mit Irans Präsident Hassan Ruhani sagte ein EU-Sprecher, das Abkommen bleibe ein wichtiges Werkzeug für die Stabilität in der Region. Maas erklärte, ein atomwaffenfreier Iran sei mit dem Abkommen zu erreichen und in der Vergangenheit erreicht worden. Dass die Islamische Republik Verpflichtungen ausgesetzt habe, werde aber Folgen haben müssen.

Über andere Themen wie über deren destruktive Rolle in der Region könne man mit Teheran reden, „ohne dieses Abkommen zu kündigen“, meinte Maas. Der europäischen Vermittlerrolle schrieb der Außenminister sogar das Verdienst zu, eine weitere Eskalation verhindert zu haben. Sie habe es „uns auch ermöglicht, mit dem Iran im Gespräch zu bleiben, auf ihn einzuwirken, dass der Gegenschlag des Irans nicht so ausfällt, wie wir das befürchtet haben“.

Die SPD will Iran einen Milliardenkredit gewähren

Ungeachtet der öffentlichen Distanz zu Trump bemüht sich die deutsche Diplomatie auch unter Maas, in der Iran-Politik nicht allen gemeinsamen Grund mit den USA zu verlieren. Das 2015 geschlossene Atomabkommen hatte andere heikle Themen gezielt außen vor gelassen. Längst aber hat sich auch im Auswärtigen Amt die Einsicht durchgesetzt, dass allein Mahnungen Teheran nicht davon abhalten, mit Kämpfern, Waffen und Geld andere Länder zu destabilisieren. Zeitweise wurde deshalb überlegt, mit gesonderten europäischen Sanktionen gegen Teheran zu dieser Frage den Schulterschluss zum US-Kongress zu suchen.

Der außenpolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Nils Schmid, verteidigte nun nicht nur das Atomabkommen, sondern schlug europäische Finanzhilfen für das Land vor, das unter den US-Sanktionen leidet. „Solange auch nur eine kleine Chance besteht, den Iran im Atomabkommen zu halten, sollten wir daran festhalten“, sagte Schmid dem Tagesspiegel. Die Europäer sollten alles versuchen, um den Iran davon abzubringen, sein Nuklearprogramm wieder aufzulegen: „Dazu könnten auch wirtschaftliche Hilfen in Form eines Milliardenkredits gehören, wie es Präsident Macron vor einiger Zeit vorgeschlagen hat.“ Macron hatte im Sommer 2019 die Gewährung eines Kredits in Höhe von rund 14 Milliarden Euro an Teheran befürwortet. Dies war damit lange vor den iranischen Raketenangriffen auf Militärbasen im Irak, auf denen auch US-Soldaten stationiert sind.

Reaktion des Irans ist offen

Die FDP dagegen griff Trumps Anregung auf. Deutschland und die EU müssten gemeinsam mit den USA eine Iran-Strategie entwickeln, forderte der außenpolitische Sprecher der Fraktion, Bijan Djir-Sarai. Das Atomabkommen müsse dringend um Zusatzabkommen erweitert werden, in denen die Rolle des Irans in der Region und sein Raketenprogramm thematisiert würden.

Offen ist allerdings, ob Teheran auf Trumps Verhandlungsangebot eingeht. Dies sei „wenig wahrscheinlich“, sagte der Iran-Experte Cornelius Adebahr von der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP): „Es hat diesen Vorschlag bereits in der Vergangenheit abgelehnt, sofern die USA nicht zuvor ihre Wirtschaftssanktionen zurücknehmen.“ Über diesen Streit sei die Möglichkeit eines Treffens beider Präsidenten während der UN-Generalversammlung geplatzt. Nach der Tötung von Soleimani, den Trauerkundgebungen und Vergeltungsdrohungen könne sich derzeit zudem „kein iranischer Politiker mit einem aus ihrer Sicht durch und durch unzuverlässigen US-Präsidenten zusammensetzen“.

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