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Samarkand, ist eine Stadt in Usbekistan.

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Usbekistan: Usbekistans Reformkurs unterstützen

Wenn der usbekische Präsident Mirsijojew in diesen Tagen Berlin besucht, kann er eine beachtliche Zwischenbilanz seiner bislang Präsidentschaft vorweisen. Ein Gastbeitrag.

Wir erinnern uns: Jahrzehntelang war Usbekistan unter der Herrschaft des langjährigen Autokraten Karimow immer mehr erstarrt. Innenpolitisch setzte der Despot Karimow zunehmend auf Repression - außenpolitisch hatte er sich auch innerhalb der zentralasiatischen Region zuletzt weitgehend isoliert.

Nun sind in Usbekistan nicht über Nacht Demokratie und Pluralismus ausgebrochen. Aber es sind deutliche Signale der Veränderung sichtbar und für die Menschen auch konkret erfahrbar. Im Zentrum der innenpolitischen Debatte steht die Umsetzung der Reformagenda des Präsidenten, die "Strategie zur Entwicklung Usbekistans 2017-2021". Die Themen reichen von der Stärkung öffentlicher Kontrolle staatlicher Behörden über die Liberalisierung des Straf- und Strafprozessrechts bis zur Förderung innovativer Unternehmen und der Reduzierung der Kontrolle des religiösen Lebens.

Eine Zunahme von Freisprüchen durch usbekische Gerichte sowie ein Rückgang der Gefängnisinsassen sind erste positive Entwicklungen. Auch im letzten Jahr wurden wieder mehrere Personen aus der Haft entlassen, die zuvor zu Unrecht unter dem Vorwurf des Extremismus inhaftiert worden waren. Dazu gehört auch der prominente und regierungskritische Journalist Bobomurod Abdullajew, dem Verleumdung und die Vorbereitung eines Staatsstreichs vorgeworfen worden war. Dass im Mai 2018 zum ersten Mal seit 14 Jahren wieder eine Delegation von Amnesty International das Land bereisen konnte und dabei Fortschritte bei der Menschenrechtslage konstatierte, ist ein weiteres positives Indiz. Dennoch darf nicht übersehen werden, dass trotz mancher Fortschritte weiter große Defizite in Fragen der Strafverfolgung und Meinungsfreiheit in Usbekistan bestehen.

Außenpolitisch verfolgt Usbekistan seit dem Amtsantritt von Mirsijojew eine Politik der regionalen Öffnung und Kooperation. Dank seiner Initiative kam es im März vergangenen Jahres  in Astana zum ersten Treffen aller zentralasiatischen Präsidenten seit 13 Jahren. Besondere internationale Aufmerksamkeit erfuhr das Land durch die Initiierung einer UN-Resolution zur verstärkten Zusammenarbeit in der Region Zentralasien sowie durch ein aktives Engagement im Friedenprozess in Afghanistan, in dem die usbekische Regierung auch den Kontakt zu den Taliban sucht. Deutschland unterstützt diesen Prozess für eine nachhaltige Entwicklung sowie zu mehr Sicherheit und Stabilität einschließlich der stärkeren Einbeziehung Afghanistans.

Die EU arbeitet an einer neuen Zentralasien-Strategie

Ende November 2018 wurden die offiziellen Verhandlungen über ein Erweitertes Partnerschafts- und Kooperationsabkommen (ePKA) zwischen der EU und Usbekistan aufgenommen. Deutschland teilt das gemeinsame Interesse an einer engeren Zusammenarbeit zwischen der EU und Usbekistan. Auch die Tatsache, dass die EU zur Zeit an der Neufassung der EU-Zentralasien-Strategie arbeitet, die im Laufe dieses Jahres 2019 fertiggestellt werden soll, wird von uns nachdrücklich unterstützt. Deutschland war bereits bei der Erarbeitung der ersten Zentralasien-Strategie im Jahr 2007 einer der treibenden Kräfte.

Die EU unterstützt damit Bemühungen um Stabilisierung, demokratische Reformen und Modernisierung. Deutschland ist hier vor allem im Bereich der Rechtsstaatsförderung und der Entwicklung einer regionalen Wasserpolitik ("Berliner Prozess") aktiv, das die unterschiedlichen Interessen der zentralasiatischen Länder versucht miteinander in Einklang zu bringen. Damit wird zugleich ein Beitrag zu regionaler Konfliktprävention geleistet.

Auch auf wirtschaftlicher Ebene ist der Reformkurs unverkennbar. Präsident Mirsijojew ist vor allem mit einer wirtschaftlichen Reformagenda angetreten, um das ökonomisch stagnierende Land zu stabilisieren. Dies ist auch dringend erforderlich, da zwei Drittel der Bevölkerung unter 35 Jahre alt sind. Um einer Radikalisierung durch Perspektivlosigkeit vorzubeugen, müssen zahlreiche neue Arbeitsplätze entstehen.

150 Euro Monatslohn - die wirtschaftliche Lage ist angespannt

Bei der wirtschaftlichen Modernisierung setzt man insbesondere auch auf ausländische Investitionen. Ein weiterer Schritt zur wirtschaftlichen Öffnung des Landes stellt der geplante Beitritt zur WTO dar, nachdem der Beitrittsprozess 15 Jahre unterbrochen war. Die wirtschaftlichen Reformen erhöhten zwar die Attraktivität für Investitionen, führten aber auch zu hoher Inflation und brachten noch nicht die erhoffte Belebung des Arbeitsmarktes. Das BIP-Wachstum fiel auch im zweiten Amtsjahr Mirsijojews geringer aus als im Vorjahr. Daher bleibt die soziale Lage nach wie vor angespannt. Der durchschnittliche Arbeitslohn in Usbekistan betrug 2017 rund 150 Euro – zu wenig, um davon leben zu können.

Deutschland setzt sich für eine Fokussierung der EU-Aktivitäten vor allem auf die Bereiche nachhaltige Entwicklung sowie Sicherheit und Stabilität in Zentralasien ein. Wichtige Themen werden auch künftig die Förderung der Rechtsstaatlichkeit, der regionalen Integration, regionales Wassermanagement sowie Bildungsfragen sein. Angesichts der gewünschten Modernisierung des Arbeitsmarkts und der Einführung innovativer Technologien wird es notwendig sein, das Bildungsniveau deutlich zu erhöhen. Wir werden daher eine wirtschaftspolitische Beratung der usbekischen Regierung zur Unterstützung des Reformkurses vereinbaren und einen hochrangigen Experten zur Beratung in der Forschungs- und Innovationspolitik entsenden.

Deutschland und Europa sollten ihren Beitrag dazu leisten, Usbekistan auf seinem Reformkurs zu unterstützen und gleichzeitig weitere Reformen im politischen und menschenrechtspolitischen Bereich anmahnen. Es ist auch in unserem Interesse, dass Usbekistan und die gesamte Region wirtschaftlich prosperieren und damit radikal-islamistischen Tendenzen der Nährboden entzogen wird.

Nils Schmid ist außenpolitischer Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion.

Lesen Sie hier die Einschätzung von Human Rights Watch zum Reformkurs in Usbekistan auf causa.tagesspiegel.de

Nils Schmid

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