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US-Wahlnacht in Berlin: Expertenrunde bescheinigt Obama eine schwache Leistung

Die Menschen in den USA mögen über die Wahl ihres Präsidenten tief gespalten sein, dafür waren sich die Experten in Berlin umso sicherer: Es sieht nicht gut aus für die Supermacht a.D.

Bei einer Expertendiskussion zur großen US-Wahlnacht in der Hauptstadtrepräsentanz der Deutschen Telekom, in Kooperation mit dem Tagesspiegel, wurden die Vereinigten Staaten wegen ihrer horrenden Schulden sogar als das „neue Griechenland“ bezeichnet. Dieses harte Urteil fällte der Außenpolitik-Experte John Hulsman, der auch eine Botschaft laut aussprach, die in zahlreichen Beiträgen an diesem Abend indirekt mitschwang: Egal, wer diese Wahl gewinnen sollte, die Herausforderungen sind groß, eigentlich zu groß für einen einzelnen Mann, für ein einzelnen Land.

Genauso wie Hulsmann betätigte sich auch Josef Braml von der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik vor den mehr als 1000 Gästen als Untergangsprophet. Den in laute Konversationen verstrickten, mit Obama- und Romney-Batches behängten und US-Flaggen schwingenden Gästen verkündete er, dass vielleicht nur ein neuer „externer Feind“ dem Land die verlorene Einigkeit wiedergeben könnte. Als würden selbst radikale Islamisten nicht mehr reichen. Braml, Autor von „Der amerikanische Patient“, zeichnete das Bild eines zutiefst geteilten Landes, dessen zwei Parlamentskammern noch jedem Präsidenten ein Bein stellen würden.

Etwas hoffnungsfroher hatte sich das ganze zuvor noch bei Philip D. Murphy angehört, als US-Botschafter in der deutschen Hauptstadt und Mitorganisator der Wahlparty ohnehin zu Optimismus verpflichtet. In einer Diskussion mit Tagesspiegel-Chefredakteur Stephan-Andreas Casdorff betonte er, dass sein Herz zwar mit Obama sei, sein Job ihn jedoch zu Neutralität verpflichte. Wenn nur alle US-Politiker solche diplomatischen Weisheiten in den letzten Jahren befolgt hätten. Den hinterlistigen Einwand Casdorffs, ob in Zeiten der Krise nicht wirtschaftlicher Sachverstand, und damit unausgesprochen Romney, gefragt wäre, entgegnete Murphy staatsmännisch: „Ein Präsident braucht viele Talente.“ Einen besonderen Hinweis war Murphy noch die Notwendigkeit seines raschen Wiederaufbaus seiner politischen Heimat New Jersey wert, die vom Sturm „Sandy“ besonders hart erwischt worden war. Dann übergab er an die Experten.

Der aus dem New Jersey entgegengesetzten Punkt des Landes, San Diego, stammende Politikprofessor William Chandler sprach als einziger von Präsident Barack Obama bereits in der Vergangenheitsform. Die große Gesundheitsreform, von Republikanern als „Obamacare“ verunglimpft, sei Obamas Nachlass. Als Moderatorin Juliane Schäuble, stellvertretende Ressortleiterin Politik beim Tagesspiegel, die Gäste jedoch nach ihren Prognosen zum Wahlausgang fragte, waren sich alle plötzlich sicher. Barack Obama wird’s wieder.

Die Leistung des US-Präsidenten, die von den Experten als überwiegend schwach beurteilt wurde, würde jedoch nicht dessen historische Verdienste schmälern. Dies meinte jedenfalls Constanze Stelzenmüller, als Außenpolitikexpertin auf Transatlantik-Beziehungen spezialisiert. "Alleine die Tatsache, dass Obama als Schwarzer mit seiner Familie in ein Haus eingezogen ist, das einmal von Sklaven aus Westafrika erbaut wurde, ist niemals zu unterschätzen." Mit dieser historischen Einordnung konnten auch die anderen Gäste gut leben. Nur die Zukunft wollte inmitten der fröhlichen Abendatmosphäre niemand von ihnen positiv sehen. 

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