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Politik: Väter gegen Mutters Veto

Wer darf für die Kinder sorgen? In Karlsruhe wird über die starke Stellung unverheirateter Frauen gestritten

Vor dem Bundesverfassungsgericht saßen sich am Dienstag zwei Eltern gegenüber, die nach der Geburt ihres Sohnes drei Jahre lang zusammengelebt hatten; nach der Trennung hatte die Mutter den gemeinsamen Sohn mitgenommen. Der Mann hat jetzt, zusammen mit einem weiteren Vater, den Vorrang der Mütter beim Sorgerecht für gemeinsame Kinder als verfassungswidrig angegriffen.

Erst seit 1998 lässt das Gesetz ein Sorgerecht für nicht verheiratete Väter überhaupt zu. Zu diesem Zeitpunkt waren die Eltern von Jonathan aber schon lange getrennt und die Erfahrungen der Mutter waren so, dass sie ein Sorgerecht für den Vater ablehnte. „Ich wollte für mich und mein Kind Ruhe und Sicherheit vor gerichtlichen Auseinandersetzungen“, sagte sie am Dienstag. Ohne ihre Zustimmung kann der Vater unter keinen Umständen ein Sorgerecht erhalten, denn das Gesetz setzt die Zustimmung der Mutter zwingend voraus. Der Vater klagt nun, dieses Vetorecht der Mutter verletze sein Elternrecht und benachteilige die Kinder unverheirateter Eltern. Denn bei Scheidungen entscheide im Streitfall das Gericht über das gemeinsame Sorgerecht.

Das Problem, über das der Erste Gerichtssenat am Dienstag verhandelte, ist kein Einzelfall. Rund 820 000 Kinder wachsen in Deutschland in nichtehelichen Lebensgemeinschaften auf. Wie viele Mütter das seit 1998 geltende Recht nutzen, dem unverheirateten Partner ein Sorgerecht einzuräumen, ist statistisch nicht erfasst. In der Rechtswissenschaft gibt es inzwischen kritische Stimmen gegen das absolute Zustimmungserfordernis der Mutter. Zumindest bei einer langjährigen familiären Lebensgemeinschaft und bei einer engen emotionalen Beziehung zwischen Kind und unverheiratetem Vater wollen Familienrechtler eine Öffnung erreichen. Auch der Deutsche Juristinnenbund (djb) sprach sich für die Möglichkeit des väterlichen Sorgerechts im Einzelfall aus. Familienrichterin Sabine Heinke sagte für den djb, bei einem längeren Zusammenleben unverheirateter Eltern könne es im Interesse des Kindeswohls liegen, das Sorgerecht beiden zuzuweisen. Das Gegenargument, damit werde den Eltern ein weiteres Kampffeld eröffnet, überzeugt nach Heinkens Ansicht nicht. „Die Alleinzuweisung an die Mütter vermeidet den Konflikt nicht“, so die Richterin. Auch das Institut für Jugendhilfe und Familienrecht beurteilte die Regelung als verfassungswidrig, da sie das Kindeswohl nicht ausreichend berücksichtige.

Durchaus nachdenklich äußerte sich die Vertreterin des Bundesjustizministeriums, Ministerialdirigentin Rosemarie Adlerstein. Sie verteidigte das Zustimmungserfordernis der Mutter zwar als verfassungsgemäß. Der Gesetzgeber habe 1998 davon ausgehen dürfen, dass das Konfliktpotenzial zu groß werde, wenn unverheirateten Vätern gegen den Willen der Mütter ein Sorgerecht eingeräumt werde. Die Bundesregierung nehme die Bedenken jedoch ernst. Gegenwärtig werde untersucht, ob eine Modifizierung des Gesetzes notwendig ist, auch hinsichtlich der Anpassung an europäische Normen. In anderen EU-Ländern wird mit dem Sorgerecht für nichtverheiratete Eltern teilweise deutlich anders umgegangen. In Frankreich beispielsweise geht mit der Geburt des Kindes das Sorgerecht an beide Elternteile.

Für die bestehende Regelung sprach sich dagegen eindeutig der Verband allein erziehender Mütter und Väter (VAMV) aus. Ein Sorgerecht für unverheiratete Väter auch gegen den Willen der Mutter beschneide deren Recht massiv. Unverheiratete Mütter müssten dann mit ständigen familienrechtlichen Auseinandersetzungen rechnen.

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