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Griechenlands Finanzminister Yanis Varoufakis in Brüssel

© EPA/Julien Warnand

Varoufakis’ Auftritt in Brüssel: Keine Zahlen bitte

Weil der neue griechische Ressortchef Varoufakis ein Veto einlegte, ging das Treffen der Euro-Finanzminister komplett ohne Ergebnis zu Ende. Der Grieche habe „nichts auf den Tisch gelegt, keine Zahlen, keine Reformvorschläge“, hieß es aus EU-Diplomatenkreisen.

Es passiert nicht alle Tage, dass die Euro-Finanzminister in Brüssel auseinandergehen, ohne am Ende überhaupt irgendeine gemeinsame Erklärung abzugeben. Genau dies ist aber am späten Mittwochabend im Streit um das weitere Verfahren in der Griechenland-Krise passiert. „Den ganzen Abend stand es 1: 18“, hieß es anschließend aus EU-Diplomatenkreisen. Sprich: Anders als seine 18 Amtskollegen ist der neue griechische Finanzminister Yanis Varoufakis nicht damit einverstanden, dass das bestehende Hilfsprogramm für Griechenland mit den vorgesehenen Milliardenzahlungen über den 28. Februar hinaus verlängert wird. Im Gegenzug zu entsprechenden Auflagen der Geldgeber, versteht sich.

Von der "Troika" war keine Rede mehr

Dabei hatte der Abend mit Varoufakis, seinem deutschen Amtskollegen Wolfgang Schäuble (CDU) und den übrigen 17 Ressortchefs eigentlich ganz versöhnlich begonnen. Schon im ersten Textentwurf für die Abschlusserklärung, die Euro-Gruppenchef Jeroen Dijsselbloem vorlegen wollte, tauchte das Wort „Troika“ laut EU-Diplomaten nicht mehr auf. Die neue griechische Regierung unter Alexis Tsipras, dem Chef des Linksbündnisses Syriza, möchte die Troika aus EU-Kommission, Internationalem Währungsfonds (IWF) und Europäischer Zentralbank (EZB) nicht mehr im Land sehen – sie gilt Tsipras wie auch vielen anderen Griechen als rotes Tuch. Also war im Textentwurf statt von der Troika von einer „Expertengruppe“ zu lesen. Weil Varoufakis und der Athener Vize-Regierungschef Gianis Dragasakis, der bei den Beratungen in Brüssel ebenfalls dabei war, sich mit diesem Terminus nicht anfreunden wollten, war in einem späteren Entwurf davon die Rede, dass demnächst „technische Arbeiten“ zur Bewertung der Athener Haushaltslage stattfinden sollen. Der Euro-Gruppenchef Dijsselbloem muss geahnt haben, dass die Diskussion mit der neuen Athener Regierung über das weitere Procedere alles andere als einfach werden würde. Es werde „Schritt für Schritt“ gehen, hatte der Niederländer vor dem ersten Treffen seiner Amtskollegen mit Varoufakis gesagt. So sollte es dann auch kommen. „Die Griechen haben nichts auf den Tisch gelegt, keine Zahlen, keine Reformvorschläge“, hieß es aus EU-Diplomatenkreisen.

Am Ende meldet sich Varoufakis doch noch

Am Ende des Abends war es dann Dijsselbloem, der einen Vorschlag für eine Abschlusserklärung auf den Tisch legte, die aus drei Absätzen bestand. Als Ziel wurde in dem Papier eine Brückenfinanzierung für Griechenland erwähnt, wobei das laufende Hilfsprogramm möglichst verlängert werden solle. Es sei vereinbart worden, „sich das bestehende Hilfsprogramm noch mal anzuschauen, Veränderungen zu vereinbaren und auf dieser Basis einen Verlängerungsantrag der griechischen Regierung zu ermöglichen“, berichtete ein Diplomat. Damit schien eine Brücke gebaut worden zu sein zwischen den Griechen, die das aus ihrer Sicht gescheiterte Rettungsprogramm ablehnen, und den übrigen 18 Euro-Partnern, aus deren Perspektive nur das existierende Paket die Grundlage weiterer Gespräche sein kann – zumal auch das Szenario eines Ausscheidens Athens aus der Euro-Zone im Raum steht. Dem Textentwurf zufolge sollte Griechenland zudem seine internationalen Verpflichtungen anerkennen. In einem vorhergehenden Entwurf war noch von den griechischen Schuldenrückzahlungen „an alle Gläubiger“ die Rede gewesen – diese Passage wurde aber den Angaben zufolge von Varoufakis abgeschwächt.

Als Dijsselbloem gegen 23 Uhr die Sitzung mit dem endgültigen Entwurf der Erklärung beenden wollte, meldete sich zunächst niemand, um Einspruch zu erheben. Bei derartigen Brüsseler Treffen ist es Usus, dass ein Dokument als verabschiedet gilt, wenn keine Delegation einen Vorbehalt äußert. Weil sich auch Varoufakis zunächst nicht rührte, löste sich die Versammlung auf. Die ersten Finanzminister, unter ihnen auch Schäuble, verließen den Sitzungsraum. Als Schäuble schon nicht mehr im Saal war, legte Varoufakis Einspruch ein. Er müsse wegen des Verhandlungsergebnisses mit Athen telefonieren, erklärte der Ökonom.

Der Ressortchef aus Athen stand vor der Wahl: take it or leave it

Daraufhin wurde Schäubles Staatssekretär Thomas Steffen, der mit seinem Chef nach Brüssel gereist war, wieder in den Verhandlungsraum zurückgerufen. Dijsselbloem gab Varoufakis indes zu verstehen, dass jetzt keine Veränderungen am Text mehr möglich seien. Damit war die Versammlung faktisch beendet. Für Varoufakis hieß es jetzt nur noch: take it or leave it – zustimmen oder die Schlusserklärung platzen lassen.

Der Ökonom telefonierte lange mit Athen

Anschließend telefonierte Varoufakis lange mit Tsipras. Am Ende des Gesprächs habe Varoufakis mit dem Kopf geschüttelt und erklärt, er könne nicht zustimmen, hieß es. Nach dem Scheitern der Schlusserklärung ist es nun auch nicht möglich, dass die Experten auf Seiten der internationalen Geldgeber wie ursprünglich vorgesehen in Athen an diesem Donnerstag und Freitag die aktuellen Defizit- und Wachstumszahlen unter die Lupe nehmen. Man werde beim nächsten Treffen der Euro-Gruppe am kommenden Montag „wieder genau da stehen, wo wir auch am Mittwoch schon standen“, hieß es aus den EU-Diplomatenkreisen.

Begegnung zwischen Merkel und Tsipras

Von einer möglichen Enttäuschung angesichts der Hängepartie ließ sich aber Kanzlerin Angela Merkel (CDU) nichts anmerken, als sie am Donnerstagnachmittag beim Brüsseler Ratsgebäude zum EU-Gipfel eintraf. „Noch haben wir ein paar Tage Zeit“, sagte sie. Sollte sie sauer auf Tsipras gewesen sein, versteckte sie es gut: „Ich freue mich auf die erste Begegnung.“ Direkt an der Eingangstür zum Sitzungssaal kam es dazu. Tsipras, der bei seiner Kennenlern-Tour durch Europa in seinen ersten Amtstagen absichtlich einen Bogen um Berlin gemacht hatte, trat mit einem strahlenden Lächeln auf Merkel zu. Hände wurden geschüttelt, ein paar Sätze gewechselt. Besser unterhielt sich die Grieche aber mit Frankreichs Staatschef François Hollande und dem italienischen Regierungschef Matteo Renzi – das war nicht zu übersehen.

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