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Schon am Dienstag kam es zu gewaltsamen Zusammenstößen von Demonstranten und Polizei.

© AFP

Südamerika: Venezuelas Opposition ruft zu Massenprotest gegen Maduro

Die Regierungskrise in Venezuela spitzt sich zu. Das Parlament macht Druck auf Machthaber Maduro, die Opposition hat an Kraft gewonnen.

In Venezuela eskaliert der Machtkampf zwischen der bürgerlichen Opposition und dem sozialistischen Machthaber Nicolás Maduro. Für den heutigen Mittwoch rief die Opposition zu Massenprotesten auf, um gegen die Mangelwirtschaft und Usurpation der sozialistischen Clique um Maduro zu demonstrieren.

Die Atmosphäre ist angespannt. Erst zu Wochenbeginn hatte eine Gruppe von Unteroffizieren und Soldaten der Nationalgarde in Caracas ein Waffenarsenal eingenommen und das Volk zum Aufstand aufgerufen. Die Meuterei wurde jedoch schnell niedergeschlagen; 27 Militärs wurden festgenommen. Seit einigen Tagen hält außerdem das in den letzten freien Wahlen 2015 gewählte, oppositionelle und von Maduro nicht anerkannte Parlament offene Bürgerversammlungen ab, auf denen die Legitimität der Regierung in Frage gestellt wird.

Angeführt wird der Widerstand vom 35-jährigen Parlamentspräsidenten Juan Guaidó. Dem Ingenieur und ehemaligen Studentenführer ist es gelungen, der zuletzt über persönliche Eitelkeiten und Strategiefragen zerstrittenen Opposition neues Leben einzuhauchen. Anfang Januar erklärte das Parlament die Staatsspitze für vakant, da Maduro ein Usurpator sei und die letzten Präsidentschaftswahlen im Mai 2018 nur durch Betrug gewonnen habe. Guaidó wurde im Zuge dessen indirekt zum Interims-Präsidenten ernannt.

Die Opposition versucht, die in letzter Zeit zutage getretenen Rivalitäten der sozialistischen Führungsclique auszunutzen und einen Keil zwischen die Anführer der einzelnen Fraktionen zu treiben. Guaidó hat Militärs, die sich gegen Maduro wenden, eine Amnestie versprochen. Das Militär ist die wichtigste Stütze Maduros. Zwischen ihm und dem Oberkommandierenden der Streitkräfte, Vladimir Padrino, soll es aber Verstimmungen geben. Die „Washington Post“ hatte unter Verweis auf Geheimdienstinformanten geschrieben, Padrino habe Maduros Rücktritt gefordert. Der Artikel wurde von Caracas dementiert; allerdings fehlte Padrino bei den letzten offiziellen Auftritten Maduros oder hielt sich im Hintergrund. Vor seiner Amtseinführung am 10. Januar ließ Maduro an Stelle des Militärs die ihm treuen „colectivos“, bewaffnete, paramilitärische Milizen, defilieren. Seit Mai letzten Jahres müssen außerdem alle Militärs ein Dokument unterschreiben, in dem sie dem Regime ihren bedingungslosen Gehorsam geloben.

Nur China und Russland stehen an Maduros Seite

Unterstützung erhält die Opposition durch die internationale Gemeinschaft - mit Ausnahme von China und Russland, die Venezuela als strategischen Verbündeten und wichtigen Öllieferanten betrachten. Viele Staaten, darunter die USA, Kanada und die EU sowie die Organisation Amerikanischer Staaten (OAS) erkennen Maduro hingegen nicht als legitimen Staatschef an und haben Sanktionen oder Haftbefehle gegen ranghohe Mitglieder der Führungsclique verhängt. Sechs Länder haben beim Internationalen Strafgerichtshof beantragt, einen Prozess gegen Venezuela wegen schwerer Menschenrechtsverletzungen anzustrengen.

In Venezuela kommt es nach Angaben der UN und zahlreicher nationaler (Foro Penal) und internationaler (Amnesty International) Menschenrechtsorganisationen systematisch zu schweren Grundrechtsverletzungen wie außergerichtlichen Exekutionen, Folter, Verschwindenlassen und Einschränkungen der Meinungs- und Versammlungsfreiheit. Die USA erwägen Presseberichten zufolge eine Verschärfung der Wirtschaftssanktionen, die vor allem das Erdöl betreffen – Haupt-Exportprodukt des Landes. Das könnte die ohnehin darnieder liegende Wirtschaft empfindlich treffen.

Die Wirtschaftsleistung schrumpfte in den vergangenen fünf Jahren um 50 Prozent, die Inflation kletterte 2018 auf 1,3 Millionen Prozent. Nahrungsmittel und Medikamente sind nur noch auf dem Schwarzmarkt oder für Regimeanhänger über Bezugsscheine zu erhalten. Der Mindestlohn reicht derzeit für zwei Kilogramm Fleisch. Dass es trotzdem nicht zu Hungerrevolten kommt, erklärt der Ökonom Manuel Sutherland der Zeitschrift „Nueva Sociedad“ so: „Die Regierung überlässt Kriminellen und Schwarzmarkthändlern viele ihrer Import-Waren, die dann gewinnbringend weiterverkauft werden. Mit wenig Geld hat sie so ein klientelistisches Netzwerk geschaffen, das weite Teile der Bevölkerung zum Lumpenproletariat gemacht hat. Hinzu kommt, dass die Opposition in den Armenvierteln nicht präsent ist und ihre Nische in Twitter gefunden hat.“

Dennoch sehen Beobachter wie der Kommentator Andrés Oppenheimer neuen Spielraum für die Opposition: „Wenn sich Guaidó formell zum Interims-Präsidenten erklärt, könnte er im Ausland humanitäre Hilfe anfordern, wogegen sich Maduro sträubt. Wenn sich aber Hilfsgüter an den Grenzen stapeln, könnte dies den Volkszorn entfachen und Maduro darüber stürzen, ohne dass eine ausländische Militärintervention nötig wäre“ schrieb Oppenheimer im "Miami Herald“.

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