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Politik: Verblühte Hoffnungen

Die Revolution der Rosen ist in Georgien lange vorbei – vor der Präsidentenwahl sind die Bürger frustriert

Ein fairer, demokratischer Urnengang bei den vorgezogenen Präsidentenwahlen in Georgien am Samstag ist die einzige Chance, die Michail Saakaschwili hat, um sein Amt zu verteidigen. Und so haben Beamte der Zentralen Wahlkommission die Einträge in den Wählerlisten penibel überprüft. Um Mehrfachabstimmungen zu vermeiden, wird allen Wahlberechtigten gleich beim Betreten der Wahllokale mit farbloser Tinte eine Markierung auf die Hand gespritzt, die sich erst nach mehreren Tagen abwaschen lässt. Tausende von Beobachtern, darunter auch internationale, überwachen Abstimmung und Auszählung.

Bei der Revolution der Rosen im November 2003 als Hoffnungsträger für demokratische Reformen angetreten, enttäuschte Saakaschwili seine Fangemeinde durch schwache Auftritte und Demokratiedefizite. Massenproteste der Opposition, die seinen Rücktritt forderte, ließ er im November mit Spezialeinheiten der Polizei, Wasserwerfern und Tränengas auflösen. Danach verhängte er den Ausnahmezustand und setzte für den 5. Januar vorgezogene Neuwahlen an. Zu deren Ausgang wagen bisher nicht einmal Experten Prognosen.

Umfragen zufolge waren sich noch am 2. Januar weit über 50 Prozent der Georgier uneins, wem sie ihre Stimme geben sollen: Saakaschwili oder einem seiner fünf Herausforderer. Zu ihnen gehört auch Badri Patrkazischwili, Multimilliardär und Besitzer des oppositionellen Fernsehkanals Imedi, den Saakaschwili nach den Unruhen stürmen und verwüsten ließ. Patrkazischwili und Saakaschwili lieferten sich mit angeblichem Belastungsmaterial schon im Wahlkampf eine Schlammschlacht, wie es sie bisher auf dem Gebiet der ehemaligen Sowjetunion nicht gegeben hat. Der Medienzar unterstellte dem Präsidenten Attentatspläne, dieser seinem Ex-Verbündeten einen Putschversuch.

In der Jelzin-Ära bestens mit russischen Oligarchen vernetzt, galt Patrkazischwili, der als Unabhängiger ins Rennen geht, vielen schon vor den Putschvorwürfen als Agent Moskaus. Der Skandal dürfte ihm den Rest gegeben haben. Vor allem in Tiflis und anderen Großstädten liegen seither die Kandidaten der oppositionellen Parteien leicht in Führung. Allen voran der 43-jährige Unternehmer Lewan Gatschetschiladse, hinter dem eine Allianz aus neun Parteien steht. Denn das eigentliche Klassenziel – einen gemeinsamen Bewerber – verfehlte die zerstrittene, von Rivalitäten ihrer Führer gebeutelte Opposition erneut.

Der Nachfolger Saakaschwilis könnte daher durchaus Saakaschwili heißen. Allerdings erst nach einer Stichwahl. Denn sein Sündenregister ist umfangreich. Vom wirtschaftlichen Aufschwung, der in Ansätzen durchaus erkennbar ist, konnten die Massen bisher nicht profitieren. Mehr als die Hälfte der Georgier lebt unterhalb der Armutsgrenze. Auch die Wiederherstellung der staatlichen Einheit – von Saakaschwili im Wahlkampf vor vier Jahren zur absoluten Priorität erhoben – tritt auf der Stelle. Bisher konnte er nur die Schwarzmeerregion Adscharien zurückgewinnen. In Abchasien und Südossetien dagegen hat die Regierung in Tiflis nach wie vor nichts zu melden.

Hoffnungen auf Reintegration der Abtrünnigen könnte ein Referendum zum Nato-Beitritt, das zusammen mit den Wahlen stattfindet, zunichte machen: 80 Prozent der Bevölkerung dort sind Russen, und Moskau ist per Grundgesetz verpflichtet, deren Interessen zu schützen. Wegen Georgien aber dürfte die Allianz kaum bereit sein, ihr ohnehin gestörtes Verhältnis zu Russland weiter zu belasten. Auch heißt es in deren Statuten, dass Beitrittskandidaten keine offenen Konflikte zu ihren Nachbarn haben dürfen.

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