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Politik: Verbotener Besuch

Ein Journalist traf Milosevic in seiner Zelle. Das Tribunal fühlt sich hintergangen

Von Caroline Fetscher

Berlin - Wenn ein Journalist in die Den Haager Haftanstalt für mutmaßliche Kriegsverbrecher will, wird er nur eine Antwort hören: „Nein.“ Keine Interviews mit Untersuchungsgefangenen – so lautet die Regel an allen Tribunalen der Vereinten Nationen. Auch beim Internationalen Tribunal für das ehemalige Jugoslawien ist das so. Dennoch gelang es dort einem Reporter der französischen Tageszeitung „Le Figaro“, den neben dem früheren irakischen Diktator Saddam Hussein prominentesten Häftling der Welt, Slobodan Milosevic, in seiner Zelle zu besuchen und zu interviewen.

Der Vorfall ist beispiellos. In der Vergangenheit hatte der ehemalige Präsident des früheren Jugoslawiens, Milosevic, lediglich mit Journalisten und serbischen Wahlkämpfern telefoniert – woraufhin ihm zeitweise der Anschluss gekappt wurde. Der 62-Jährige sitzt seit Mitte 2001 in Haft. Das Haager Tribunal verhandelt gegen ihn wegen Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit.

Was Renaud Girard dem prominenten Häftling zu entlocken wusste, ist weniger sensationell. In dem am Freitag veröffentlichen Interview beschimpfte Milosevic die westliche Staatengemeinschaft und die Nato, sprach von abgekartetem Spiel gegen seine Person und sein Land und davon, dass er „von westlichen Medien dämonisiert worden“ sei. Beunruhigender ist allerdings, dass sich Girard beim Tribunal unter falschen Vorzeichen vorgestellt und so die Besuchserlaubnis erwirkt hat.

In Den Haag ist man verärgert und fühlt sich hintergangen. „Renaud Girard fand nicht als Journalist Einlass in die Haftanstalt“, sagte Christian Chartier, ein Sprecher des Gerichts, der Agentur AFP. „Er wurde in einer anderen Rolle dort empfangen, die keine Rückschlüsse darauf zuließ, dass er einen Artikel verfassen würde.“ Es sei bedauerlich, dass nun gegenüber anderen Reportern der Eindruck erweckt wurde, Interviews mit Inhaftierten seien möglich. Girard werde die rechtlichen und praktischen Konsequenzen seines Tuns zu spüren bekommen, hieß es beim Tribunal.

Girard selbst, der jahrelang als Berichterstatter des „Figaro“ unter anderem im Kosovo gearbeitet hat, verteidigt sein Vorgehen: „Ich habe die Regeln des Tribunals nicht unterlaufen.“ Allerdings macht Girard bisher auch keine genaueren Angaben dazu, wie und mit welcher Begründung er letztlich Zugang zu der Zelle von Slobodan Milosevic erhalten hat. Im Gerichtsverfahren gegen den jugoslawischen Ex-Präsidenten Milosevic soll am 31. August die Verteidigung beginnen.

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