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Verbrechen der Franco-Ära: Zehntausende Spanier wollen Aufklärung

„Wahrheit und Gerechtigkeit“, forderten die Menschen. „Schluss mit der Straffreiheit für die Franco-Diktatur.“ Und: „Massengräber geschlossen, Wunden geöffnet.“ Landesweite demonstrieren Spanier, um den Richter Garzon zu unterstützen, der die Verbrechen der Franco-Ära untersucht.

Zehntausende Spanier gingen in der Metropole Madrid und auch in anderen Städten auf die Straße, um endlich eine Aufklärung jener Menschenrechtsverbrechen zu fordern, die von der rechtsgerichteten Franco-Diktatur (1939–1975) begangen worden sind.

Die sterblichen Überreste von mehr als 100 000 von den Franco-Schergen ermordeten linken Oppositionellen sind bis heute spurlos verschwunden. Verscharrt irgendwo im Land in Straßengräben, Gruben und Tälern. Ein dunkles Geschichtskapitel, das auch heute, 35 Jahre nach dem Tod von General Francisco Franco, noch immer nicht aufgeklärt, geschweige von der Justiz aufgearbeitet ist.

„Mehr Richter wie Garzon“, skandierte die Menge. Baltasar Garzon ist jener berühmte Untersuchungsrichter Spaniens, der es als bisher einziger Ermittler gewagt hatte, die Untaten Francos zu untersuchen. Und der diese juristische Vergangenheitsbewältigung nun möglicherweise mit einer Anklage vor dem Obersten Gerichtshof wegen „Amtsanmaßung“ bezahlen muss.

Angehörige und Freunde der Franco-Opfer sind empört wegen dieses drohenden Gerichtsverfahrens gegen Garzon, dem wohl prominentesten Menschenrechtsermittler des Landes, wenn nicht ganz Europas. Ein Verfahren, das von ultrarechten Gruppen angestrengt wurde, und mit einem Berufsverbot für den Terroristen- und Staatsverbrecherjäger enden könnte. Weil Garzon sich mit seinen Ermittlungen angeblich über ein rechtlich fragwürdiges Franco-Amnestiegesetz aus dem Jahr 1977 hinwegsetzte. Der Oberste Gerichtshof ist bisher der Auffassung dieser Organisationen gefolgt und will im Laufe dieser Woche über die Eröffnung einer mündlichen Verhandlung gegen Garzon entscheiden. Kommt es zu einer solchen Verhandlung, müsste der Jurist bis zum ihrem Ausgang vom Amt suspendiert werden. Vor zwei Jahren haben die Vereinten Nationen Spanien empfohlen, das Amnestiegesetz von 1977 aufzuheben. Das Parteienbündnis Vereinigte Linke hat angekündigt, dem spanischen Parlament einen entsprechenden Reformentwurf vorzulegen. Garzon argumentiert, dass es sich bei den über 100 000 Toten um Verbrechen gegen die Menschlichkeit handelt, die nicht verjähren oder amnestiert werden können.

„Keiner kann verstehen, dass in einem demokratischen Staat ausgerechnet jener Richter der Amtsanmaßung beschuldigt wird, der für Wahrheit und Wiedergutmachung eingetreten ist“, erregte sich Spaniens preisgekrönter Filmemacher Pedro Almodovar. Ein Richter, der 1998 wegen seiner Ermittlungen gegen Chiles früheren Gewaltherrscher Augusto Pinochet weltweit gefeiert und zum Vorreiter der „universellen Justiz“ wurde.

Nur im eigenen Land, kritisierte Almodovar, akzeptiere man wohl nicht jene internationale Menschrechtsdoktrin, wonach auch Spanien zur Aufklärung seiner Staatsterrorgeschichte unter Franco verpflichtet sei. Viele Demonstranten recken während des Protestmarsches Tafeln mit Fotos von ihren bis heute verschwundenen Angehörigen in die Höhe. „Meine Mutter liegt irgendwo im Straßengraben“, erzählt die 89-jährige Hilda Frafante, „mein Vater wurde wohl in einer Schlucht vergraben.“ Wo genau, weiß Frafante nicht. Spaniens demokratische Regierungen haben bisher nicht nach diesen tausenden verlorenen Söhnen und Töchtern der Nation suchen wollen. Nur private Opferorganisationen wie etwa der Verein für die „Historische Erinnerung“ versuchen, die Massengräber zu lokalisieren.

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