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Hillary Clinton hat ihre Niederlage bereits eingestanden - verlangt sie jetzt eine Neuauszählung?

© AFP

Verdacht auf Manipulation: Experten raten Clinton, die US-Wahl anzufechten

Hillary Clinton bekam hunderttausende Stimmen mehr - hat aber die US-Wahl verloren. Jetzt wollen Experten Hinweise auf Manipulationen gefunden haben.

Eine Gruppe von Computerexperten und Anwälten rät Hillary Clinton offenbar dazu, die Präsidentschaftswahl anzufechten. Das berichtet das "New York Magazine" in seiner Online-Ausgabe. Demnach wollen die Experten im Schlüsselstaat Michigan Auffälligkeiten in Bezirken mit Wahlcomputern festgestellt haben, die auf Manipulationen hindeuten könnten. Am Donnerstag sollen sie sich mit Clintons Kampagnenchef John Podesta getroffen haben. Der Sender CNN beruft sich auf eine nicht genannte Quelle, die das Treffen bestätigen soll.

Clinton hatte ihre Niederlage bereits in der Wahlnacht eingestanden. Sie rief zunächst ihren Konkurrenten Donald Trump an, später hielt sie eine Rede vor Anhängern. Sie hat zwar, das wird immer klarer, eine deutliche Mehrheit der Stimmen bekommen (popular vote) - Hochrechnungen gehen davon aus, dass sie am Ende etwa zwei Millionen Stimmen mehr haben wird als ihr Gegner. Doch Trump gewann trotzdem eine klare Mehrheit der Wahlleute im so genannten "Electoral College", weil er einige knappe Bundesstaaten für sich entschied.

An ihnen hängt sein Erfolg: 270 Wahlleute bedeuten eine Mehrheit, Trump hat derzeit sicher 290, in Michigan liegt er vorne, aber der Staat ist ihm noch nicht offiziell zugeschlagen worden. Mehr als 130 Millionen Stimmen wurden insgesamt abgegeben: Aber in den drei Schlüsselstaaten Michigan, Wisconsin und Pennsylvania hätten sich zusammengenommen nur etwa 55.000 Menschen umentscheiden müssen, um das Wahlergebnis zu Gunsten Clintons zu drehen. Obama hatte 2012 alle drei Staaten gewonnen.

Clinton muss schnell entscheiden

Dem "New York Magazine" zufolge wollen die Experten nun Hinweise darauf gefunden haben, dass die Ergebnisse der US-Wahl in diesen drei entscheidenden Staaten manipuliert worden sein könnten. Die Gruppe um den Wahlrechtsanwalt John Bonifaz und J. Alex Halderman, den Direktor des "Centers für Computersicherheit und Gesellschaft" der University of Michigan, will sich bislang noch nicht äußern, heißt es in dem Bericht. Stattdessen bemühten sie sich, Clinton und ihr Team zu überzeugen. Sie sollen etwa bemerkt haben, dass Clinton in Wahlbezirken in Wisconsin, die Wahlcomputer nutzen, viel weniger Stimmen bekam als in Wahlbezirken, in denen auf Papier abgestimmt wird oder Papier vor Ort gescannt wird. Ganze sieben Prozent soll der Unterschied betragen - damit könnte sie bis zu 30.000 Stimmen verloren haben; in Wisconsin trennten Clinton und Trump nur gut 27.000 Stimmen.

Belege dafür, dass manipuliert wurde, haben die Experten demnach nicht. Allerdings sei das Muster sehr auffällig. Wahlcomputer gelten als anfällig und im Vorfeld der Wahl war immer wieder spekuliert worden, Russland habe versucht, in die Systeme einzudringen.

Tatsächlich lässt eine Abweichung von sieben Prozentpunkten zwischen Wahlkreisen mit Computern und solchen ohne aufhorchen. Möglich wäre allerdings, dass sich diese Wahlbezirke auf andere Weise systematisch unterscheiden, die mit der Methode der Stimmabgabe nichts zu tun haben. Welcher Unterschied das sein könnte, ob also beispielsweise auf dem Land häufiger mit Wahlcomputern gewählt wird als in den Städten, in denen Clinton stärker war, ist bislang aber völlig unklar.

Der Statistiker Nate Silver, der die Website "Five Thirty Eight" betreibt, hat in einem ersten Versuch nach solchen Erklärungen gesucht - und beschrieb die Mutmaßungen der Experten auf Twitter in der Folge als unplausibel: Er verglich die Ergebnisse in den Wahlbezirken in Wisconsin und Pennsylvania mit mehr als 50.000 Einwohnern und kontrollierte dabei für die ethnische Zusammensetzung und den durchschnittlichen Bildungsgrad dort.

In einem solchen Analysemodell deutet wenig darauf hin, dass es einen systematischen Unterschied zwischen den Wahlkreisen abhängig von der Abstimmungsart gibt. Detailliertere Analysen könnten zwar zu anderen Ergebnissen kommen, schreibt er, aber in der Regel sei es ein klares Zeichen, wenn schon nach ersten Tests von der ursprünglichen Vermutung wenig übrig bleibt. Er weist außerdem darauf hin, dass in Michigan ohnehin überall mit Wahlzetteln aus Papier gewählt wurde. Manipulationen an Computern sind damit dort ausgeschlossen. Clinton bräuchte in einer Neuauszählung aber alle drei Staaten.

Die Entscheidung, ob sie die Hinweise trotzdem ernst nimmt, muss Hillary Clinton schnell treffen, berichtet das Magazin: In Wisconsin hat sie demnach bis Freitag Zeit, eine Neuauszählung zu beantragen, in Pennsylvania bis Montag und in Michigan bis zum kommenden Mittwoch.

Jonas Schaible

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