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Verfassungsgericht: Eltern ohne Sorgerecht müssen Kinder nicht besuchen

Ab jetzt dürfen keine Bußgelder mehr gegen Eltern verhängt werden, die ihre Kinder aus einem Seitensprung am liebsten vergessen wollen. Geklagt hatte eine Mutter, die ihren neunjährigen Sohn mit seinem Vater bekannt machen wollte.

Väter oder Mütter ohne Sorgerecht können grundsätzlich nicht zum Kontakt mit ihren Kindern gezwungen werden. Auf die Beschwerde eines Vaters hob das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe die gerichtliche Androhung eines Zwangsgeldes bis zu 25.000 Euro zunächst auf. Denn ein erzwungener Umgang diene normalerweise nicht dem Wohl des Kindes, befanden die Verfassungshüter. Ein solches Zwangsgeld sei allenfalls dann denkbar, wenn "hinreichende Anhaltspunkte" darauf schließen ließen, dass im Einzelfall auch der erzwungene Umgang dem Wohl des Kindes diene. Das Urteil stieß überwiegend auf Zustimmung.

Im konkreten Fall wünschte die Mutter, dass der Vater, mit dem sie nicht verheiratet ist, Kontakt zu dem gemeinsamen, inzwischen neun Jahre alten Sohn hält. Sie setzte vor dem Oberlandesgericht in Brandenburg das Zwangsgeld durch. Der Vater zahlt regelmäßig Unterhalt, wollte aber keinen Kontakt zu dem gegen seinen Willen gezeugten Kind. Gegen das Zwangsgeld wehrte er sich mit Verweis auf seine Persönlichkeitsrechte. Zudem fürchtete er, seine bestehende Ehe mit zwei weiteren Kindern könne zerbrechen, wenn er zum Umgang mit dem nichtehelichen Sohn gezwungen werde.

Ablehnung statt Zuwendung könnte Kind schaden

Das Bundesverfassungsgericht bestätigte einen Eingriff in die Persönlichkeitsrechte des Vaters, weil er zu einem Verhalten gezwungen werden solle, das er selbst nicht wünsche. Allerdings weise das Grundgesetz den Eltern mit dem Recht gleichzeitig auch die Pflicht zur Erziehung ihrer Kinder zu. Denn dies diene in der Regel der Entwicklung und dem Wohl des Kindes. Bei einem erzwungenen Kontakt sei dies aber meist wohl anders, erklärten die Karlsruher Richter. Ablehnung statt Zuwendung könne dem Kind sogar eher schaden.

Daher könne ein Zwangsgeld in der Regel nicht mit dem Kindeswohl gerechtfertigt werden und sei daher als Eingriff in die Persönlichkeitsrechte des Vaters verfassungswidrig, urteilte das Bundesverfassungsgericht. Ausnahmen seien denkbar, insbesondere bei älteren Kindern, die nachdrücklich den eigenen Wunsch nach Kontakt äußerten. Im konkreten Fall äußerten die Karlsruher Richter Zweifel, ob der von der Mutter gestellte Antrag einer solchen Ausnahme entspricht. Abschließend soll dies nun das Brandenburgische Oberlandesgericht prüfen.

Zypries: Urteil beflügelt Reform der Familiengerichte

Bundesjustizministerin Brigitte Zypries (SPD) begrüßte das Urteil. Es setze das Kindeswohl an die erste Stelle, sagte sie dem TV-Sender N24. Dies beflügele die geplante Reform, die es Familiengerichten ermöglichen soll, sehr viel früher als bisher in Familienstrukturen einzugreifen, um Kinder zu schützen. Anders sah dies FDP-Fraktionsvize Sabine Leutheusser-Schnarrenberger. Die geplante Verschärfung von Umgangsregelungen mit Ordnungsmitteln sei angesichts des Bundesverfassungsgerichtsurteils problematisch, erklärte sie in Berlin.

Die Deutsche Kinderhilfe interpretierte das Urteil als Hinweis darauf, dass die Kinderrechte von der derzeitigen Verfassungslage ausreichend berücksichtigt würden. "Die Aufnahme von Kinderrechten in die Verfassung ist daher überflüssig und lediglich eine politische Placebodebatte", erklärte der Vereinsvorsitzende Georg Ehrmann in Berlin. Der Interessenverband Unterhalt und Familienrecht (ISUV) begrüßte den Richterspruch mit dem Argument, der Instrumentalisierung von Kindern per Gerichtsbeschluss werde dadurch ein Riegel vorgeschoben.

Nach Ansicht des familienpolitischen Sprechers der Unionsfraktion, Johannes Singhammer (CSU), hatte das Bundesverfassungsgericht "in dieser bizarren Situation" keine andere Wahl. Der Regelfall sei, dass Eltern vor Gericht zögen, um mehr statt weniger Umgang mit ihrem Kind zu erstreiten. (ho/AFP)

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