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Der Verfassungsschutz hält es für möglich, dass der rechtsnationale "Flügel" von Thüringens Partei- und Fraktionschef der AfD, Björn Höcke, den Kurs der gesamten Partei beeinflusst hat.

© Christian Charisius / dpa

Verfassungsschutz: Behörden hätten das AfD-Gutachten selbst veröffentlichen sollen

Die Kriterien des Verfassungsschutzes bei der AfD-Analyse dürfen kein Geheimnis sein. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Frank Jansen

Nun ist es passiert. Das Gutachten des Bundesamtes für Verfassungsschutz (BfV) zur AfD steht komplett im Internet und damit jedem Nutzer zur Lektüre offen. Obwohl der Nachrichtendienst das 442 Seiten umfassende Papier als Verschlusssache und „nur für den Dienstgebrauch“ eingestuft hat.

Das hat die Onlineplattform Netzpolitik.org nicht daran gehindert, der Öffentlichkeit das Gutachten zu präsentieren, das für das BfV die Grundlage der Einstufung der AfD als „Prüffall“ und der Vereinigungen „Junge Alternative“ und „Flügel“ als Verdachtsfall war. Womöglich folgt nun ein Strafverfahren wegen Geheimnisverrats. Doch es geht um mehr als juristische Konsequenz.

Nationalsozialismus verharmlost

Das Bundesamt für Verfassungsschutz und das Bundesinnenministerium hätten das Gutachten selbst öffentlich machen sollen. Schon angesichts der politischen Dimension. Der Nachrichtendienst bescheinigt der AfD und erst recht ihren beiden Hardcore-Gruppen ein problematisches Verhältnis zu zentralen Werten der Demokratie. In dem Papier ist von Missachtung der Menschenwürde und des Rechtsstaatsprinzips die Rede. Zudem wird der Nationalsozialismus verharmlost. Bei der Lektüre schlägt einem die geballte Hetze aus den Reihen der Rechtspopulisten entgegen. Diese Gefahr für die Demokratie sollten alle Demokraten genau kennen.

Es entspricht der Aufgabe des Verfassungsschutzes, ein Frühwarnsystem zu sein. Das der Republik rechtzeitig mitteilt, wo und wie Feinde der Demokratie agieren. Im Fall der AfD ist es dem BfV nahezu exemplarisch gelungen. Die Propaganda der Rechtspopulisten wird akribisch seziert. Das war auch dringend nötig. Die AfD radikalisiert sich, in Teilen ist sie ideologisch nicht von Rechtsextremisten zu unterscheiden. Warum das detaillierte Gutachten dazu nur in komprimierter Form der Öffentlichkeit vermittelt wird, erschließt sich nicht. Zumal das Bundesamt nur Reden von AfD-Politikern und andere öffentlich zugängliche Quellen nennt. Kein V-Mann muss seine Enttarnung fürchten. Und die Kriterien des BfV bei der Analyse der AfD sollten kein Geheimnis sein. Es geht um die Maßstäbe des Grundgesetzes.

Der Verfassungsschutz gewinnt, wenn er der Öffentlichkeit entgegenkommt, solange nachrichtendienstliche Schmerzgrenzen nicht tangiert sind. Dass sich Netzpolitik.org im Jahr 2015 Strafanzeigen des damaligen BfV-Präsidenten Hans-Georg Maaßen einfing, weil ein Teil eines geheimen Haushaltsplans der Behörde ins Internet gestellt worden war, ist nachvollziehbar. Ein Nachrichtendienst muss sich vor Einblicken der Öffentlichkeit und damit auch von Extremisten und Spionen in interne Abläufe schützen.

Doch im Fall AfD bekommen nicht einmal Bundestagsabgeordnete das komplette Papier. Weil die AfD im Parlament sitzt? Das wäre ein schlechtes Argument. Es war absehbar, dass die Partei klagen würde. In dem Rechtsstreit, den die AfD nun einleitet, wird sie das Gutachten bekommen müssen. Vor Gericht gilt Waffengleichheit. Und warum sollte das Bundesamt der AfD nicht mit dem Gutachten den Spiegel vorhalten? Der hässliche Anblick wäre verdient.

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