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Radikale Salafisten protestieren auf dem Potsdamer Platz in Berlin. (Archivbild)

© IMAGO

Exklusiv

Verfassungsschutz: Immer mehr Salafisten und Reichsbürger in Berlin

Die Hauptstadt erlebt einen ungebremsten Zulauf bei Salafisten, Reichsbürgern und der linksextremen „Roten Hilfe“. Bei Rechtsextremen gibt es wenig Bewegung.

Von Frank Jansen

Der Berliner Verfassungsschutz registriert in der Stadt einen weiterhin ungebremsten Zulauf bei Salafisten, Reichsbürgern und der linksextremen Organisation „Rote Hilfe“. Das gehe aus dem Jahresbericht 2017 hervor, heißt es in Senatskreisen. Der Report ist noch nicht veröffentlicht, der Inhalt aber dem Tagesspiegel bekannt. Die Zahl der Salafisten stieg auf 950, im Jahr zuvor waren es 840. Aktuell registriert die Behörde einen weiteren Anstieg der härtesten Islamistentruppe auf bis zu 1000 Personen. Knapp die Hälfte gilt als gewaltorientiert.

Das Spektrum der Reichsbürger wuchs um 100 Personen auf 500. Mehr als ein Fünftel stuft der Verfassungsschutz als rechtsextrem ein. Bei der rechtsextremen Szene insgesamt gab es hingegen wenig Bewegung. Die Zahl der gewaltorientierten Personen blieb mit 700 konstant, auch die Berliner NPD hat unverändert 230 Mitglieder. Das gesamte Spektrum schrumpfte minimal von 1450 Personen auf 1430. Ein Grund ist die im November 2017 vollzogene Selbstauflösung der Splitterpartei „Pro Deutschland“, deren Zentrale sich in Berlin befand.

PKK in Berlin hat 1100 Anhänger

Der linksextreme Verein „Rote Hilfe“ steigerte die Zahl seiner Mitglieder von 1300 auf 1450. Die „Rote Hilfe“ unterstützt in Berlin und bundesweit Linksradikale in Strafverfahren wegen des Verdachts auf politisch motivierte Delikte. Im weiteren linksextremen Spektrum gab es wenig Verschiebungen. Der Verfassungsschutz stellte 980 gewaltorientierte Autonome und „Postautonome“ fest, das sind zehn mehr als 2016. Bei den Postautonomen handelt es sich um Gruppierungen wie die „Interventionistische Linke“, die nach außen halbwegs gemäßigt auftreten und Bündnisse mit bürgerlichen Organisationen eingehen, unter anderem bei Protesten gegen rechtsextreme Aufmärsche.

Bei ausländischen Extremisten jenseits der Islamistenszene hat sich ebenfalls fast nichts geändert. Die stärksten Vereinigungen blieben stabil: Die kurdische Terrororganisation PKK hat in Berlin 1100 Anhänger, die rechtsextreme türkische Ülkücü-Bewegung weiterhin 400.

Behördenchef vor Jobwechsel

Im Kapitel zum „legalistischen Islamismus“ hat der Verfassungsschutz nach einer Teilniederlage beim Oberverwaltungsgericht (OVG) eine radikale Konsequenz gezogen. Er verzichtet im neuen Jahresbericht darauf, die Dar-as-Salam-Moschee, die sich „Neuköllner Begegnungsstätte (NBS)“ nennt, und drei weitere Vereine zu erwähnen.

Im Bericht 2016 hatte der Verfassungsschutz den vier Vereinen Verbindungen zur islamistischen Muslimbruderschaft bescheinigt. Die NBS hatte geklagt und im April beim Verwaltungsgericht verloren. In zweiter Instanz konnte der Moscheeverein im Juli beim OVG Berlin-Brandenburg einen halben Erfolg erzielen. Die Senatsinnenverwaltung entschied dann, der Verfassungsschutz werde nicht nur die NBS, sondern auch die drei anderen Vereine im Bericht nicht mehr nennen.

Es handelt sich um das „Interkulturelle Zentrum für Dialog und Bildung“, das „Islamische Kultur- und Erziehungszentrum“ und das „Teiba Kulturzentrum zur Förderung der Bildung und Verständigung“. Ungeachtet der harmlosen Namen sprach der Verfassungsschutz von Verbindungen zur „Islamischen Gemeinschaft in Deutschland“, die die größte Organisation von Anhängern der Muslimbrüder in Deutschland ist.

Das OVG hat dem Verfassungsschutz allerdings nicht grundsätzlich untersagt, Moscheevereine mit Verbindungen zu Muslimbrüdern zu nennen. Auch deren Beobachtung bleibt möglich. Die Richter monierten, dass die Erwähnung der NBS im Hinblick auf die Bewertung ihrer „Funktion im Gefüge des legalistischen Islamismus nicht klargestellt“ sei und deshalb zu unterlassen ist.

Innensenator Andreas Geisel (SPD) wird den Jahresbericht am 5. September im Verfassungsschutz-Ausschuss des Berliner Abgeordnetenhauses vorstellen.

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