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Entspanntes Lernen in der Schule, keine Noten mehr, keine Hausaufgaben, kein Leistungsdruck - die Reformen nehmen kein Ende.

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Verfehlte Schulreformen: Im Labor der Pädagogen

Abschaffung von Noten und Hausaufgaben - was alle Bildungsreformen eint, ist der Gedanke, der traditionelle Bildungskanon und das böse leistungsorientierte Lernen passten nicht mehr in die heutige Gesellschaft. Warum das falsch ist. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Arno Makowsky

Es ist der alte Schülertraum: nie mehr Noten! Die Angst vor Fünfen und Sechsen – einfach weg! Und, mal ehrlich: Das alte System der „Zensuren“, klingt es nicht nach autoritären Paukern wie aus der „Feuerzangenbowle“, nach überholtem Drill und Lehrer-Willkür; jedenfalls pädagogisch höchst zweifelhaft und mithin ungeeignet für den Alltag an modernen Schulen?

In vielen Bundesländern experimentieren die Schulpolitiker gerade an der Abschaffung der Noten herum, und tatsächlich klingen ihre Argumente nicht gänzlich falsch. Das klassische Notenschema wird der Persönlichkeit von Kindern nicht gerecht, Lehrer benoten oft willkürlich, und Schüler aus gebildeten Familien schneiden grundsätzlich besser ab.

Die Frage ist nur: Was könnte die Alternative zur Benotung sein? Das „Lernentwicklungsgespräch“, wie es neuerdings in manchen Grundschulen praktiziert wird? Oder der „Einmaleins-Führerschein“, zu dem sich Schüler anmelden, sobald sie multiplizieren können? Schon die Wortwahl signalisiert, dass hier eine einfache Wahrheit durch Pädagogen-Kauderwelsch verschleiert werden soll: Schule heißt Lernen. Das erfordert Kontrolle und macht manchmal keinen Spaß. Notensysteme, Prüfungsstress, Schulwahl, Ungerechtigkeiten im Unterricht – alles verhandel- und verbesserbar. Was nicht wegzudiskutieren ist: Ohne Leistung geht es nicht.

Nichts dazugelernt

Man sollte glauben, dass die Schulpolitik durch die Flops einer gut gemeinten, aber gescheiterten Reformpädagogik in den siebziger Jahren etwas dazugelernt hat. Hat sie leider nicht. Stattdessen gibt es beinahe wöchentlich neue Vorschläge aus dem Labor der Experimentalpädagogen: Abschaffung der Hausaufgaben (zementieren soziale Ungleichheit, weil Migranten mit ihren Kindern weniger lernen), Reform des Geschichtsunterrichts (überflüssiges Faktenwissen, das man auch googeln kann) und Eliminierung der Schreibschrift (braucht niemand mehr, weil man nur noch in den Computer tippt).

Was alle diese sogenannten Reformen eint, ist der Gedanke, der traditionelle Bildungskanon und das böse leistungsorientierte Lernen passten nicht mehr in die heutige Gesellschaft. Geschichte beispielsweise wird nicht mehr chronologisch, sondern in „Längsschnitten“ zu Themen wie Geschlechterrollen und Migration unterrichtet. Das dient vorgeblich dem tieferen Verständnis von Zusammenhängen, fördert in Wahrheit aber Unwissenheit und Oberflächlichkeit. Ein Leben ohne eigene Handschrift passt vielleicht besser in die digitalisierte Welt, nimmt den Menschen aber einen Teil ihrer Persönlichkeit. Und soll man sich wundern, dass junge Leute nicht zum Wählen gehen, die nie etwas von der Entstehung und dem Wert der Demokratie im Altertum gehört haben?

Das Ergebnis all dieser Bemühungen kann man beispielsweise in Mecklenburg-Vorpommern besichtigen, wo eine Anfrage an die Landesregierung gerade ergeben hat, dass ein Drittel der Grundschüler unfähig ist, einigermaßen flüssig zu lesen und außerdem enorme Rechtschreibdefizite aufweist. Gefragt nach der Bedeutung des Osterfestes gaben Jugendliche kürzlich an, es handle sich dabei wohl um „ein Hasenfest“.

Möglicherweise haben die etwas beim Längsschnitt-Unterricht zwischen Religion und Biologie durcheinandergebracht.

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