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Politik: Verhandeln bis zur Mehrheit

Nach der schwarz-gelben Niederlage rückt der Bundesrat wieder stärker in den Mittelpunkt

Berlin - Hoffnung bei den einen, Nervosität bei den anderen – die Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen war für die Politik in Berlin nicht nur bedeutend, weil im größten Bundesland gewählt wurde, sondern weil es um die Mehrheitsverhältnisse im Bundesrat ging. Über 37 Stimmen konnte die schwarz-gelbe Koalition unter Kanzlerin Angela Merkel bis Sonntag in der Länderkammer verfügen (wobei dank der Eigenwilligkeit manch eines Landesfürsten der Union diese Mehrheit so einfach gar nicht zu sichern war, wie sich Ende vorigen Jahres beim Wachstumsbeschleunigungsgesetz gezeigt hatte). Aber nach der Niederlage von Jürgen Rüttgers und der CDU/FDP-Koalition in NRW ist es mit dieser Mehrheit nun vorbei. Und damit auch mit einigen schwarz-gelben Großprojekten wie etwa der Gesundheitsreform. Mit Steuersenkungen dagegen nicht unbedingt.

Das Aus von Schwarz-Gelb in Düsseldorf bedeutet, dass das einst von Merkel propagierte „Durchregieren“ im Bundesrat nicht möglich sein wird. Aber regiert werden muss, das wissen alle Beteiligten. SPD und Grüne haben daher schon durchblicken lassen, dass es keine Blockadepolitik im Sinne der Nichtkooperation geben wird (wie übrigens in allen Phasen, in denen eine Bundesregierung keine Mehrheit in der Länderkammer hatte, und das war seit 1949 immer wieder über Jahre hinweg der Fall). Wie also regieren mit einem Bundesrat, der mittlerweile – was die Landeskoalitionen betrifft – so bunt ist wie nie zuvor? Mit seinen roten, rot-roten, schwarz-roten, schwarz-grünen, rot-grünen, schwarz- gelben, schwarz-gelb-grünen Regierungen. Was auf den ersten Blick chaotisch anmutet, ist in Wirklichkeit so unregierbar nicht. Im Grunde sind zwei Szenarien möglich, wahrscheinlich ist eine Kombination der beiden: die eine ist parteipolitisch ausgerichtet, die andere sozusagen landespolitisch.

Im parteipolitischen Szenario stehen vor allem die Grünen im Mittelpunkt des Interesses. Denn zwei CDU-Ministerpräsidenten regieren mit den Grünen, Peter Müller im Saarland, Ole von Beust in Hamburg. Diese Länder kämen als erste in den Blick, um das Minus von sieben Bundesratsstimmen für Schwarz-Gelb nach der NRW-Wahl zumindest partiell auszugleichen. Natürlich würden die Grünen Schwarz-Gelb pur nicht mitmachen, aber die Kompromisse werden sich finden lassen. Und Merkel & Co. hätten, sollten sich die Grünen sperrig zeigen, immer auch die Möglichkeit, auf die SPD zuzugehen. Da reicht schon die Kooperationsbereitschaft von Kurt Beck in Mainz, und vier Stimmen sind da für die im Bundesrat nötigen 35 Stimmen.

Wobei das schon zum zweiten Szenario führt. Angesichts der Buntheit der Länderkammer und der seit Jahren wachsenden sozialen und wirtschaftlichen Unterschiede zwischen den Ländern ist den Ministerpräsidenten und ihren Kabinetten mittlerweile das landespolitische Interesse oft wichtiger als die parteipolitischen Prämissen ihrer jeweiligen Bundesführungen. Vor allem gilt das für eher strukturschwache Länder, und wenn dort – wie in Mecklenburg-Vorpommern oder Thüringen – auch die CDU mit im Boot ist, lassen sich beidseitig akzeptable Lösungen wohl auf dem Kompromissweg aushandeln. Das muss nicht heißen, dass solche Länder durch irgendwelche Sonderzuwendungen quasi gekauft werden müssen – angesichts der Belastungen durch Bundesgesetze genügt wohl schon, deren Umsetzung für die Länder etwas flexibler zu gestalten, damit diese weniger Kosten haben. Mit der ersten Föderalismusreform sind dafür auch einige Möglichkeiten geschaffen worden, die bisher kaum oder gar nicht genutzt wurden – etwa das Abweichungsrecht der Länder.

Merkel wird also nach der schwarz-gelben Niederlage vom Sonntag im Bundesrat künftig das tun müssen, was ihr auf europäischer Ebene auch ständig begegnet: Mehrheiten durch Verhandlungen zusammenzubasteln. Das kann mal in dieser, mal in jener Konstellation sein, und möglicherweise kommt der Kanzlerin das gar nicht ungelegen: Es diszipliniert sowohl die FDP als auch die CSU.

Und die Steuerpolitik? Vereinfachungen im System werden am Bundesrat wohl kaum scheitern. Steuersenkungen sind dagegen seit Sonntagabend eine noch etwas diffizilere Geschichte als zuvor schon. Denn dafür wird es, soweit es Einkommen- und Mehrwertsteuer betrifft, keine Mehrheit geben. Denn die fließen zum Teil auch an Länder und Kommunen. Aber es gibt ja auch reine Bundessteuern, allen voran der Solidaritätszuschlag, der allein die Bundeskasse füllt.

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