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Verhandlungen: Armenien und Türkei reden über Frieden

Nach fast einem Jahrhundert der Feindseligkeit nehmen die Türkei und Armenien Kurs auf Entspannung.

Beide Seiten hätten sich auf Rahmenbedingungen zur Normalisierung ihrer Beziehungen verständigt, teilten die Außenministerien der Nachbarländer in einer gemeinsamen Erklärung mit. Dieser Schritt ist der erste seiner Art, seit die Türkei vor 16 Jahren ihre Grenze zu Armenien schloss. Beide Staaten sind vor allem über die Deutung der Massaker an Armeniern im Osmanischen Reich während des Ersten Weltkriegs zerstritten. Die Armenier gedachten am Freitag der Opfer der Massentötungen aus dem Jahr 1915.

Einzelheiten zur Lösung des Konflikts oder zu einer angepeilten Öffnung der Grenzen wurden in der Erklärung nicht genannt. Türkische Regierungskreise bekräftigten aber, an einer „umfassenden Lösung“ zu arbeiten. Das beinhalte nicht nur Details einer möglichen Grenzöffnung, sondern auch Fortschritte im Streit zwischen Armenien und dem türkischen Partner Aserbaidschan im Konflikt um Bergkarabach.

Für die Türkei hat die im vergangenen Jahr begonnene Annäherung an Armenien an Bedeutung gewonnen, seit US- Präsident Barack Obama bei seinem Besuch in Ankara Anfang des Monats die Öffnung der seit 1993 geschlossenen Grenze anmahnte. Eine Grenzöffnung wäre ein historischer Schritt zur Versöhnung der Nachbarstaaten, die keine diplomatischen Beziehungen miteinander unterhalten.

Im eng mit der Türkei verbündeten Aserbaidschan löst die Aussicht, dass die Türkei ihre Grenze zu Armenien öffnen könnte, Alarmstimmung aus. Schließlich hatte die Türkei ihre Grenze zu Armenien vor 16 Jahren aus Protest gegen das armenische Vorgehen in Bergkarabach geschlossen. Die Beschwerden der Aserbaidschaner wurden von der türkischen Opposition aufgenommen, die von einem möglichen „Verrat“ der Regierung sprach. Unter diesem Druck erklärte Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan schließlich, ohne eine Lösung der Karabach-Frage komme eine Grenzöffnung nicht infrage.

Unklar bleibt auch die Haltung Russlands. Ohne Moskau, da sind sich die Beobachter einig, wird es keine dauerhafte Lösung des Karabach-Konfliktes geben. Konservative Analysten in Moskau warnen dieser Tage aber schon vor einem Verlust russischen Einflusses in der Region, sollten Armenien und die Türkei sich einigen. Moskau hatte im Georgienkrieg seine Ansprüche auf territoriale Einmischung in der Region unter Beweis gestellt. Nun hält es einen 500-Millionen-Kredit an Armenien zurück, das bisher als sicherer Verbündeter galt – offenbar aus Angst, seine Machtbasis im Kaukasus zu verlieren.

Für die Entspannung zwischen Armenien und Türkei hatte ausgerechnet Sersch Sarkissjan gesorgt, der im März 2008 zum Präsidenten Armeniens gewählt wurde und bis dato als Hardliner galt. Er lud seinen türkischen Amtskollegen Abdullah Gül im letzten September zum Qualifikationsspiel beider Nationalmannschaften für die Fußball-WM nach Jerewan ein und will dessen Besuch im Herbst erwidern.

Auch die EU verfolgt in der Region eigene Interessen: Öffnet die Türkei ihre Grenze zu Armenien, bekommt die Nabucco-Gaspipeline doch noch eine Chance. Sie würde dann um 1000 Kilometer kürzer und um Milliarden billiger.

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