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Verhandlungen mit der PKK: Wird Nordirland zum Vorbild für die Türkei?

Über Jahre weigerte sich der türkische Staat, den inhaftierten Abdullah Öcalan als Partner bei der Suche nach einer Lösung für den Kurdenkonflikt zu akzeptieren. Doch inzwischen redet Ankara mit dem Rebellenchef.

Die Gespräche haben inzwischen den Charakter offizieller "Verhandlungen", sagt der PKK-Chef. Türkische Regierungspolitiker preisen unterdessen das Karfreitagsabkommen für Nordirland als erfolgreiches Modell für die Überwindung des Terrors. Kann die PKK einen ähnlichen Weg gehen wie die IRA? Und ergibt sich damit die Gefahr, dass sich radikale Gruppen abspalten – wie die "Real IRA"? Diese Frage spielt auch bei der Suche nach den Hintermännern des Selbstmordanschlages vom Sonntag eine wichtige Rolle.

Sowohl die PKK als auch der türkische Staat bemühen sicht seit dem Istanbuler Anschlag, kein weiteres Öl ins Feuer zu gießen. Die Kurdenrebellen distanzierten sich von der Gewalttat und verlängerten ihren Waffenstillstand bis zu den Parlamentswahlen im kommenden Sommer. Eine solche Verlängerung habe es bisher noch nie gegeben, sagte der Chef der Anwaltskammer in der kurdischen Großstadt Diyarbakir, Emin Aktar: Die Geste sei ganz klar "eine Chance für eine Lösung".

Auch Staatspräsident Abdullah Gül begrüßte die Entscheidung der PKK und erklärte, er hoffe auf einen dauerhaften Waffenstillstand – es kommt nicht alle Tage vor, dass der türkische Staatsschef eine Stellungnahme der kurdischen Rebellen gutheißt. Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan bekräftigte am Dienstag die Fixpunkte seiner Kurdenpolitik: Er will versuchen, den seit 1984 andauernden Konflikt in Südostanatolien mit demokratischen und wirtschaftlichen Verbesserungen zu lösen, ohne den militärischen Druck auf die PKK zu vermindern.

Zwar schimpft die Nationalistenpartei MHP über die angeblich schändlichen Versuche der Regierung, mit der PKK einen Lösungsweg auszuhandeln. Doch das Ergebnis der Volksabstimmung über die Verfassungsreform im September hat gezeigt, dass Erdogan große Teile der Wählerschaft hinter sich hat. Laut Umfragen kann Erdogans Regierungspartei AKP damit rechnen, bei den Wahlen im nächsten Juni erneut einen Sieg einzufahren.

Dauerhafter Waffenstillstand ist das erste Ziel

Das gibt der Regierung den politischen Spielraum, mehr oder weniger offen mit Öcalan zu verhandeln. Dabei geht es zunächst um einen dauerhaften Waffenstillstand; Fernziel ist eine Gesamtlösung, die eine Entwaffnung der PKK einschließen würde. Noch liegen die Positionen weit auseinander, doch anders als früher gibt es nun einen Gesprächsprozess. Der seit 1999 auf der Gefängnisinsel Imrali bei Istanbul einsitzende PKK-Chef darf inzwischen offenbar sogar Briefe an die Führung der Rebellen in Nordirak schicken: Nach Presseberichten hatte Öcalan seine Genossen in einem Schreiben zu der jetzt verkündeten Verlängerung der Waffenruhe aufgefordert.

Nun sagte Öcalan der Kurdenpolitikerin Aysel Tugluk während eines Treffens auf Imrali, er sei inzwischen vom Friedenswillen des türkischen Staates überzeugt. Erst vor wenigen Tagen hatte die PKK mit ähnlich erstaunlichen Erklärungen auf sich aufmerksam gemacht. Öcalans Platzhalter als PKK-Chef, Murat Karayilan, räumte im Interview mit einer türkischen Zeitung ein, die Rebellen könnten den türkischen Staat nicht besiegen. Vor wenigen Jahren hatte auch die türkische Armee eingestanden, dass die PKK mit militärischen Mitteln allein nicht zu besiegen sei, und so die neue Kurdenpolitik der Türkei eingeleitet.

Zeichen einer grundsätzlichen Umorientierung gibt es auch auf der politischen Ebene in Ankara. Vizepremier Cemil Cicek blickte vor wenigen Tagen kopfschüttelnd auf die Zeit zurück, in der die Türkei ausschließlich auf militärische Mittel setzte, um den Kurdenkonflikt zu lösen. Da seien Fehler gemacht worden, sagte Cicek in einem Fernsehinterview. Großbritannien dagegen habe als erster Staat die Fehler dieser Strategie erkannt und daraus im Umgang mit der IRA "erfolgreich" die Konsequenzen gezogen, sagte der stellvertretende Regierungschef.

Das klang ganz so, als betrachte Ankara das 1998 ausgehandelte Karfreitagsabkommen für den Nordirland-Konflikt als nützliches Modell. Die Verhandlungen mit Öcalan und der PKK könnten ein Hinweis darauf sein, dass die Türkei bereits dabei ist, dieses Modell umzusetzen.

Wie in Nordirland gibt es in diesem Prozess aber auch die Gefahr, dass nicht alle am selben Strang ziehen. Möglicherweise gehe der Istanbuler Anschlag vom Sonntag auf das Konto radikaler PKK-Dissidenten, spekulieren türkische Zeitungskommentatoren. Eine "Real PKK" würde die Suche nach Frieden noch komplizierter machen, als sie ohnehin schon ist.

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