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Ein Bauarbeiter steht in einem Terminal am neuen Flughafen von Istanbul.

© dpa

Vor dem Urlaub zum Verhör: Deutsche reisen mit Risiko in die Türkei

Die Öffentlichkeit erfährt meist nur, wenn in der Türkei deutschen Urlaubern die Einreise verweigert wird oder es Festnahmen gibt. Doch das ist nicht alles.

Dila Wiedemann* war nach der Landung in der Türkei auf dem Weg zur Passkontrolle, als sie von Zivilpolizisten aufgehalten und weggeführt wurde. Stunden der Angst verbrachte die 47-jährige Bundesbürgerin im Polizeiverhör, bis sie schließlich ohne weitere Erklärung freigelassen wurde und einreisen durfte. Ihre Erfahrung war kein Einzelfall.

Die Öffentlichkeit erfährt meist nur davon, wenn Bundesbürgern nach dem Verhör die Einreise verweigert wird oder wenn sie gar bei der Einreise festgenommen werden. Berichte von Betroffenen legen aber nahe, dass stundenlange Verhöre von deutschen Urlaubern an türkischen Flughäfen nicht selten sind und Reisende auf alles vorbereitet sein sollten.

Offizielle Zahlen über Verhöre von deutschen Urlaubern gibt es nicht, da die türkische Regierung keine Angaben dazu macht und die deutsche Regierung nur Festnahmen und Rückweisungen zählt. Mindestens neun Bundesbürgern wurde nach Zählung des Auswärtigen Amtes in diesem Jahr die Einreise verweigert; das sind deutlich weniger als im Vorjahr, als es 80 Fälle waren.

Die Dunkelziffer dürfte aber höher liegen, denn die wenigsten Betroffenen melden sich bei der Bundesregierung, wenn sie mit dem Schrecken davon gekommen sind und ihren Urlaub fortsetzen dürfen, so wie Dilara Wiedemann.

Wiedemann vermutet, dass sie wegen ihres dunklen Teints und „ostanatolischen“ Aussehens aufgehalten wurde, denn ihre Eltern stammen aus der Osttürkei. Die meisten Reisenden, die mit ihr im Polizeigewahrsam waren, hätten kurdisch ausgesehen, berichtet sie – bis auf ein deutsches Mädchen mit einem arabischen Freund, das offenbar schon länger festgehalten wurde und außer sich war vor Angst.

[*Namen von der Redaktion geändert]

Wo ihre Eltern geboren seien, verlangten die Beamten von Wiedemann zu wissen, warum sie keine türkische Staatsbürgerschaft habe und ob ihre grauen Haare echt seien. Grob und unhöflich seien sie gewesen, hätten sie geduzt und angeblafft, erzählt die Frau aus Hessen – und dann durfte sie plötzlich gehen.

Terrorbegriff wird in der Türkei anders ausgelegt als in Deutschland

Auch Bundesbürger ohne türkische Wurzeln kann es treffen. So berichtete die Bremer Lehrerin Maria Meyer* der „taz“ von einer Nacht in Polizeigewahrsam am Istanbuler Flughafen. Warum, das könne sie sich nicht erklären, sagte die 56-Jährige – sie nutze weder Facebook noch Twitter und sei in keiner politischen Gruppe aktiv. Dennoch holten Zivilpolizisten sie aus der Schlange vor der Passkontrolle, beschlagnahmten ihr Telefon und durchsuchten ihre Kamera. Die Einreise wurde ihr verweigert.

Innenminister Süleyman Soylu, ein Hardliner in der Regierung von Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan, erklärte im März das Vorgehen der türkischen Behörden, als er über Aktivitäten der Terrororganisation PKK in Deutschland sprach: „Es gibt ja Leute, die in Europa oder in Deutschland an Kundgebungen so einer Terrororganisation teilnehmen und dann nach Antalya, Bodrum oder Mugla kommen, um Urlaub zu machen“, sagte Soylu damals. „Für die haben wir Maßnahmen getroffen: Die sollen ruhig kommen, dann werden sie bei der Einreise am Flughafen festgenommen.“

Der Terrorbegriff wird in der Türkei anders ausgelegt als in Deutschland. Schon Nichtigkeiten können deshalb zu schlimmen Scherereien bei der Einreise führen, warnt Rechtsanwalt Murat Deha Boduroglu, der den deutschen Menschenrechtler Peter Steudtner bei seiner Odyssee durch die türkische Justiz verteidigte. Steudtner saß 2017 monatelang in einem türkischen Gefängnis.

Die Vorwürfe in dem Verfahren stützten sich unter anderem auf eine Landkarte, die auf dem Laptop seines Kollegen gefunden wurde: Sie zeigte die Sprachen im Nahen Osten. Am besten lösche man Smartphone und Laptop vor der Einreise in die Türkei durch, empfiehlt Boduroglu deshalb. Untersuchungshaft von bis zu 15 Tagen ist in der Türkei bei Terrorverdacht möglich – und dafür kann ein unglückliches Foto oder eine Landkarte schon ausreichen.

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