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Verkehrspolitik: Mit angezogener Bremse

Europas Autobauer machen Front gegen einen Plan der EU-Kommission. Das Europaparlament dagegen vertagte eine Entscheidung über den wichtigen Berichterstatter-Posten zur Autorichtlinie.

Berlin – Es gibt eine Personalie im EU-Parlament, die Interessenvertreter der Pkw-Industrie und Umweltverbände im kommenden Monat im Auge behalten dürften – es geht um den Posten eines „Berichterstatters“. Mit der Aufgabe ist erheblicher Einfluss verbunden – bei den Berichterstattern laufen die Fäden im EU-Parlament zusammen, bevor Kompromisse zwischen den Fraktionen gefunden werden. Deshalb werden Klimaschützer und Vertreter der Autoindustrie auch interessiert verfolgen, wer im Parlament die Aufgabe des Berichterstatters zur CO2-Richtlinie übernimmt. Davon dürfte schließlich abhängen, was aus den Emissionsgrenzwerten wird, die die EU-Kommission für Neuwagen plant. Am Dienstag vertagten die Fraktionen im Parlament in Brüssel die Entscheidung, welche Gruppierung den Berichterstatter über die Autorichtlinie stellen darf. Erst im kommenden Monat will sich das Parlament festlegen.

Die EU-Kommission hat vorgeschlagen, ab 2012 den CO2-Ausstoß von Neuwagen im Schnitt auf 120 Gramm pro Kilometer zu begrenzen. Besonders heftigen Protest hat der Vorschlag in Deutschland ausgelöst. Aus der Sicht deutscher Autobauer stellen die Brüsseler Pläne eine Wettbewerbsverzerrung zugunsten französischer und italienischer Kleinwagenhersteller dar, deren Pkw weniger Sprit verbrauchen und weniger Kohlendioxid ausstoßen als deutsche Premiummodelle. „Die EU-Kommission hat sich offensichtlich weniger in den Dienst der Klimapolitik, sondern eher in den der frankophonen Industriepolitik gestellt“, sagte der Präsident des Verbandes der Automobilindustrie (VDA), Matthias Wissmann, am Dienstag in Stuttgart. Er erklärte, dass der VDA mit Hilfe des EU-Ministerrats, des Europaparlaments und der Bundesregierung gegen die Pläne der Kommission angehen werde.

Ministerrat und EU-Parlament müssen zustimmen, bevor die Auto-Pläne der Kommission Wirklichkeit werden. Auch wenn noch nicht klar ist, welche Fraktion im Parlament das Dossier der CO2-Richtlinie an sich ziehen kann, werden dort schon Namen für Berichterstatter gehandelt. Bei der konservativen EVP-Fraktion wird etwa der ehemalige Vorsitzende des Umweltausschusses, Karl-Heinz Florenz (CDU), genannt, während die Sozialdemokraten die Aufgabe gerne dem Italiener Guido Sacconi übertragen würden. Der 59-Jährige war Berichterstatter bei den Verhandlungen über das neue EU-Chemikaliengesetz „Reach“.

In Berlin forderten am Dienstag der Verkehrsclub Deutschland (VCD), die Deutsche Umwelthilfe (DUH) und der Naturschutzbund die Regierung auf, ihren Widerstand gegen die Brüsseler CO2-Pläne aufzugeben. „Die Kritik der Bundesregierung am EU-Vorschlag ist heuchlerisch und entlarvend“, sagte Gerd Lottsiepen, verkehrspolitischer Sprecher des VCD. „Auch die Industrie sollte endlich aufhören zu jammern.“ Schließlich habe sie den technologischen Rückstand beim Klimaschutz selbst zu verantworten. Die Branche hatte sich 1998 verpflichtet, bis 2008 den durchschnittlichen CO2-Ausstoß aller in der EU zugelassenen Neufahrzeuge auf 140 Gramm pro Kilometer zu senken.

Die aktuelle Klimadebatte sei Folge des „mutwilligen Scheiterns der Selbstverpflichtung“, sagte DUH-Geschäftsführer Jürgen Resch. Er erinnerte daran, dass auch Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) Mitte der 90er Jahre als damalige Bundesumweltministerin für einen CO2-Grenzwert von 120 Gramm bis 2005 plädiert hatte. Heute betreibe die Kanzlerin „puren Industrie-Nationalismus zugunsten der Hersteller der europaweit schwersten Fahrzeuge“.

Kritik äußerten die Umweltverbände und der VCD auch am „konzeptionell falschen“ EU-Vorschlag, der keinen ausreichenden Anreiz liefere, leichtere und effizientere Modelle auf den Markt zu bringen. Insgesamt sei die Forderung der EU-Kommission, den CO2-Ausstoß bis 2012 auf durchschnittlich 120 Gramm zu senken, aber realistisch. „Was die EU fordert, ist nicht unmöglich“, sagte Gerd Lottsiepen vom VCD. Schon heute gebe es viele Fahrzeuge auf dem Markt, die die angepeilten Grenzwerte unterschreiten. „Und das sind nicht nur Kleinwagen und Sparschüsseln“, sagte Lottsiepen.

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