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Politik: Vermittlungsauftrag

Ein verschleppter Soldat – und die Suche nach Verbündeten in Europa

Das interessanteste Thema aus israelischer Sicht steht gar nicht auf der Tagesordnung des zweiten deutsch-israelischen Ministertreffens am Montag in Berlin: Die anscheinend kurz vor einem erfolgreichen Abschluss stehenden deutschen Vermittlungsbemühungen um einen Gefangenenaustausch zwischen Israel und der radikalislamischen Hamas.

Dass Bundeskanzlerin Angela Merkel und Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu im Gespräch unter vier Augen über den Austausch des vor mehr als drei Jahren in den Gazastreifen verschleppten israelischen Soldaten Gilad Schalit gegen rund 1000 palästinensische Häftlinge, davon 450 in einer ersten Phase, diskutieren werden, steht für israelische Beobachter dennoch fest.

Ohne die Vermittlung durch einen hohen BND-Beamten wäre der Stillstand in den Verhandlungen über einen Austausch nicht überwunden worden, heißt es in Jerusalem: „Die deutsche Vermittlung brachte letztlich den Durchbruch mit der Hamas.“ Die Dankbarkeit Netanyahus und der ihn begleitenden sieben Minister ist den Gastgebern sicher. Begleitet allerdings von den am Wochenende aufgekommenen Befürchtungen, dass der BND-Mann im Falle eines Misserfolges demnächst sein Vermittlungsmandat zurückgeben könnte. Deshalb ist anzunehmen, dass Netanyahu um eine Weiterführung der deutschen Bemühungen bitten wird.

Das aktuellste Thema dürfte der Teil-Baustopp für die Siedlungen im Westjordanland sein, den das israelische Sicherheitskabinett Mitte vergangener Woche verhängt hat. Während die USA und die EU jede Beschränkung der Siedlungsaktivitäten begrüßen, aber auf einen umfassenden, nicht zeitlich begrenzten Baustopp drängen, wird der Beschluss von den Palästinensern als ungenügend zurückgewiesen. Eine Wiederaufnahme der israelisch-palästinensischenVerhandlungen, die seit dem Amtsantritt Netanjahus unterbrochen sich, zeichnet sich nicht ab, weil Palästinenserpräsident Mahmud Abbas auf einem vollständigen Siedlungsstopp als Vorbedingung dafür beharrt.

Netanjahu, der seit seinem Amtsantritt einen bemerkenswerten Weg aus der nationalistischen Ecke in Richtung politische Mitte zurückgelegt hat, kann der Kanzlerin am Beispiel der mitreisenden Minister nachweisen, auf welch massiven Widerstand er mit dem Siedlungsmoratorium gestoßen wäre, hätte er dieses nicht nur im Sicherheitskabinett, sondern in der Gesamtregierung zur Abstimmung gebracht.

Netanjahu, der einen Großteil seiner Jugend und seine Studienzeit in den USA verbracht hat und auch israelisch-amerikanischer Doppelbürger war, tut sich extrem schwer mit der amerikanischen Regierung, beziehungsweise diese mit ihm. Es liegt nicht nur daran, dass die Chemie zwischen ihm und dem US-Präsidenten Barack Obama nicht stimmt. Es sind tiefgreifende politische Differenzen, die Netanjahu mit all seiner cleveren Taktik nicht überwinden konnte. Deshalb hat er sich mehr und mehr auf die Suche nach politischen Freunden in Europa gemacht. Er ist, wie praktisch alle israelischen Politiker, der Überzeugung, in der Bundeskanzlerin die wohl zuverlässigste Stütze in Europa gefunden zu haben. Das dürfte sich positiv auf die Gespräche bei der gemeinsamen Kabinettssitzung auswirken.

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