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Politik: Vernehmer von Kurnaz: Es gab kein US-Angebot zur Freilassung

Geheimdienstmitarbeiter sagen, sie hätten dazu kein Mandat gehabt / Dem Bremer wird „Radikalisierungsbiografie“ bescheinigt

Von Hans Monath

Berlin - Die nichtöffentliche Vernehmung dreier deutscher Geheimdienstbeamter durch den BND-Untersuchungsausschuss des Bundestages hat zentrale Vorwürfe der Opposition gegen den heutigen Außenminister und früheren Kanzleramtschef Frank-Walter Steinmeier (SPD) erschüttert. Das geht aus der vorläufigen Fassung des Vernehmungsprotokolles hervor, das dem Tagesspiegel vorliegt. Bisher gab es lediglich strittige Bewertungen der Sitzung durch Politiker.

Hinter verschlossenen Türen erklärte danach keiner der drei Geheimdienstmitarbeiter, es habe ein US-Angebot zur Freilassung des in Guantanamo inhaftierten Murat Kurnaz gegeben. Zudem wurde durch die Aussagen vor dem Ausschuss deutlich, dass die Vertreter deutscher Sicherheitsbehörden, die Kurnaz im September 2002 in Guantanamo vernahmen, keineswegs einhellig der Meinung waren, der Bremer Türkei sei ungefährlich. Die Opposition wirft der rot-grünen Bundesregierung und insbesondere Steinmeier vor, sie hätten Kurnaz trotz frühzeitig erwiesener Unschuld und Ungefährlichkeit im Stich gelassen. Die Festlegung Steinmeiers, wonach es kein Angebot zur Freilassung von Kurnaz gegeben habe, wurde deshalb scharf kritisiert.

Die zwei Mitarbeiter des Bundesnachrichtendienstes (BND) sowie der Mitarbeiter des Bundesamtes für Verfassungsschutz hatten Kurnaz damals gemeinsam mit einem Berliner CIA-Vertreter in dem Gefangenenlager vernommen.Der BND- Delegationsleiter hatte danach die Einschätzung formuliert, von Kurnaz gehe „mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit“ keine Gefährdung für die Sicherheit Deutschlands und seiner Verbündeten aus. Vor dem Ausschuss sagte der Beamte nun, er sei mit einem „marginalen Wissen“ in die Befragung gegangen. Deren Ziel sei nicht die Einschätzung von Kurnaz’ Gefährlichkeit gewesen. Vielmehr hätten BND-Spezialisten für Pakistan und Afghanistan aufklären sollen, welche Kontakte er in die Mudschaheddin-Szene der Region habe.

Der Verfassungsschutzmitarbeiter wiederum wollte nach eigener Aussage islamistische Kontakte von Kurnaz in Bremen aufklären. Zwar habe er dem Urteil der BND-Kollegen zugestimmt, wonach Kurnaz offensichtlich keine Mudschaheddin-Kontakte besessen habe, erklärte er vor dem Ausschuss. Dies bedeute aber nicht, dass er Kurnaz nach der Befragung als ungefährlich eingestuft habe. Zum häufig zitierten Urteil des BND-Beamten, wonach Kurnaz kein Sicherheitsrisiko darstelle, sagte der Verfassungsschützer laut Protokoll: „Dieser Satz war mit mir nicht abgestimmt, und ich würde ihn sicherlich so niemals formuliert haben.“ Der BND-Delegationsleiter selbst sagte vor den Abgeordneten: „Kurnaz wies die charakteristischen Merkmale einer Radikalisierungsbiografie auf.“

Der Verfassungsschützer verneinte entschieden die Frage, ob es ein Angebot der Amerikaner zur Freilassung von Kurnaz gegeben habe. „Nein, das entsprach nicht dem Charakter unserer Reise, zu keinem Zeitpunkt“, sagte er laut Protokoll. „Wir haben mit niemandem gesprochen, der uns ein solches Angebot hätte machen können.“ Auch der BND-Delegationsleiter sagte, er unterstreiche, „dass es sich hier nicht um ein Angebot handeln konnte“. Dazu habe die deutsche Delegation weder das entsprechende Mandat noch die entsprechende Position gehabt.

Die Zeugen berichteten von allgemeinen Hinweisen ihrer US-Gesprächspartner, wonach diese im November 2002 die Freilassung einer größeren Gruppe von Gefangenen planten, zu denen auch Kurnaz gehören sollte. Diese Überlegungen, die kein Angebot darstellten, habe das Pentagon entschieden.

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