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Frauen vor dem Bosporus in Istanbul.

© REUTERS/Murad Sezer

„Verrat an Istanbul“: Istanbuls Bürgermeister wehrt sich gegen Kanal-Pläne Erdogans

Ein gigantischer Kanal durch die größte Stadt der Türkei wird zum Zentrum im Machtkampf zwischen Opposition und Regierung in der Türkei.

Ein gigantisches Kanal-Projekt in Istanbul gerät zur Machtprobe zwischen dem Istanbuler Oppositionsbürgermeister Ekrem Imamoglu und Präsident Recep Tayyip Erdogan. In einer teilweise landesweit übertragenen, rund eineinhalb Stunden langen Rede verurteilte Imamoglu das Projekt am Mittwoch scharf. „Wieso fordern wir sehenden Auges ein Desaster heraus?“, fragte er und nannte das Projekt einen „Verrat an Istanbul“.

Imamoglu sprach unter anderem von der Vernichtung von einem Gutteil der unter- und oberirdischen Wasserressourcen der Stadt sowie von Millionen Quadratmetern Wald und Landwirtschaftsflächen. Er warnte, dass acht Millionen Menschen in der schwer erdbebengefährdeten Stadt auf einer neu entstehenden „Insel“ zwischen Bosporus und dem neuen Kanal eingeklemmt würden. Außerdem werde der Kanal nicht nur die Regierung, sondern auch die Stadt Milliarden Lira kosten.

Der Kanal ist ein Prestigeprojekt des türkischen Präsidenten, der eine Vorliebe für große Bauvorhaben hat. Er würde als künstlicher Seeweg quer durch Istanbul gegraben, um das Marmarameer und das Schwarze Meer zu verbinden. Berichten zufolge wäre er etwa 45 Kilometer lang und verliefe parallel zur Bosporus-Meerenge, der er laut Regierung einiges vom internationalen Schiffsverkehr abnehmen soll. Dazu sagte Imamoglu, dass der Verkehr auf dem Bosporus sich in den vergangenen zehn Jahren verringert habe.

Erst vor wenigen Tagen hatte Erdogan angekündigt, dass bald die Ausschreibungen beginnen werden. Am Montag hatte das Ministerium für Umwelt und Städtebau die Umweltverträglichkeitsprüfung abgesegnet. Am selben Tag kündigte Imamoglu ein vor seiner Zeit unterzeichnetes „Zusammenarbeits-Protokoll“ zum Kanal.

Imamoglu als Herausforderer Erdogans für das Präsidentenamt?

Das Tauziehen um den Kanal ist mehr als ein Streit um ein großes Bauvorhaben. Es sei zum Proxy-Schlachtfeld geworden für den Machtkampf zwischen Opposition und Regierung, sagen Beobachter - und auch zwischen Erdogan und einem Herausforderer.

Imamoglu war vor fast genau sechs Monaten als relativ unbekannter Kandidat der großen Oppositionspartei CHP zum Bürgermeister gewählt worden. Er setzte damit der langen AKP-Herrschaft in der größten Stadt der Türkei ein Ende. Unter Erdogan-Kritikern im In- und Ausland gilt Imamoglu vielen schon als nächster Präsident. (dpa)

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