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Politik: "Verrechnen" früherer Zuwendungen nicht akzeptabel

Unterdessen forderte Hans-Olaf Henkel, die Industrie müsse Wort halten, auch wenn es ihr schwer falle, die fünf Milliarden Mark für den Entschädigungsfonds zusammenzubekommenCh.B.

Unterdessen forderte Hans-Olaf Henkel, die Industrie müsse Wort halten, auch wenn es ihr schwer falle, die fünf Milliarden Mark für den Entschädigungsfonds zusammenzubekommenCh.B.

Überlebende des NS-Terrors und ehemalige Zwangsarbeiter haben ihre Kritik am Gesetzentwurf des Bundesfinanzministeriums für den Entschädigungsfonds bekräftigt. Vor allem die geplante Anrechnung von bereits erhaltenen Leistungen sei nicht hinnehmbar, heißt es in einer am Dienstag veröffentlichten "Berliner Erklärung". Diese ist das Resultat eines am Montag zu Ende gegangenen Treffens verschiedener Opfergruppen in der Gedenkstätte Wannseevilla. "Es darf nicht gegengerechnet werden. Auf Heller und Pfennig müssen die vereinbarten zehn Milliarden Mark Entschädigung allen Zwangsarbeiter zugute kommen", forderte Kurt Goldstein vom Internationalen Auschwitz-Kommitee.

Der Holocaust-Überlebende monierte zudem, dass von den zehn Milliarden gut zwei Milliarden "zweckentfremdet" werden sollen: Eine Milliarde sei dafür vorgesehen, die "Arisierung" jüdischen Vermögens und nicht ausgezahlte Versicherungspolicen abzugelten; eine weitere Milliarde fließe in einen Zukunftsfonds für Versöhnungsprojekte. "Das hieße, den überlebenden Zwangsarbeitern stünden de facto nur gut sieben Milliarden Mark zur Verfügung. Wir brauchen aber die ganze Summe. Der Raub von Vermögen hat nichts mit der Entschädigung für Versklavung zu tun."

Lothar Evers vom Bundesverband Information und Beratung für NS-Verfolgte nannte den Gesetzentwurf, über den die Regierungskoalition am 26. Januar diskutieren will, einen "Schlussstrichgesetzentwurf". "Damit soll jede Diskussion über jede weitere Art von Entschädigung für NS-Unrecht beendet werden." Er hoffe, dass der Bundestag das Stiftungsgesetz in der vorliegenden Form nicht passieren lasse.

Evers kritisierte aber nicht nur die geplante Verteilung der Gelder, sondern machte auch eigene Vorschläge. Überlebende von Konzentrations- und Arbeitserziehungslagern sowie Ghettos sollten 15.000 Mark erhalten, Zwangsarbeiter aus Mittel- und Osteuropa, die außerhalb der Landwirtschaft eingesetzt wurden, müssten 5000 Mark bekommen. Mit 2500 Mark sollten die in der Landwirtschaft Beschäftigten entschädigt werden. Dieser Verteilschlüssel habe den Vorteil, dass eine Konkurrenz unter den Opfern damit beendet sei.

Auch der rechtspolitische Sprecher der Grünen, Volker Beck, sprach sich am Dienstag gegen ein Anrechnung von bereits gezahlten Leistungen nach dem Bundesentschädigungsgesetz aus. Zudem müsse eine Lösung für die Zwangsarbeiter in der Landwirtschaft und in unbewachten Lagern gefunden werden. Die Mittel für den Zukunftsfonds sollten nicht zu Lasten der Entschädigungssumme gehen. Die Entschädigung der Opfer müsse absoluten Vorrang haben. Dennoch habe er kein Verständnis für die Schärfe der Kritik der Opferanwälte an dem Entwurf, erklärte Beck.

Derweil hat der Präsident des Bundesverbandes der Deutschen Wirtschaft, Hans-Olaf Henkel, eingeräumt, dass es der Industrie schwer falle, die fünf Milliarden Mark für den Entschädigungsfonds zusammenzubekommen. "Die Wirtschaft muss Wort halten, und das wird sehr schwer", sagte Henkel dem Magazin "Stern". Die Summe sei kein Pappenstiel. Die wenigen großen Unternehmen könnten das allein nicht "stemmen". Deshalb seien 200.000 Firmen aufgefordert worden, ihren Beitrag zur Entschädigung zu leisten. Er habe nicht nur an die moralische Verantwortung appelliert, sondern auch auf die positive Wirkung einer Beteiligung in der Öffentlichkeit hingewiesen.

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