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Politik: Verschwören zum Regieren

Von Robert Birnbaum

Einsicht, sagt man, ist der erste Schritt zur Besserung. Die CDU, hier einmal als Patient betrachtet, hätte also soeben einen ersten Schritt in Richtung Heilerfolg getan. Beim Kleinen Parteitag in Berlin hat die Vorsitzende Angela Merkel, deutlicher noch ihr neuer Generalsekretär Volker Kauder, die Leiden benannt, an denen die große Oppositionspartei krankt: Uneinigkeit, Lust an der Selbstzerfleischung, überhaupt der klare Eindruck, dass es so ziemlich jedermann in CDU und CSU um alles Mögliche geht – bloß nicht darum, wie die Union die nächsten Wahlen gewinnt. Der Kleine Parteitag hat verstanden und den neuen General im Überschwang gleich einstimmig bestätigt.

Eine „verschworene Truppe treuer Freunde“, wie Kauder sich die CDU wünscht, ist aus der Partei dadurch natürlich nicht mal für diesen kurzen, für alle Beteiligten erkennbar selbst verblüffenden Moment geworden. Das Gegenteil ist der Normalfall, im vorigen Jahr überdeutlich geworden. Man muss nur die Reihe derer betrachten, die sich verweigert haben: Merz, Seehofer, Schäuble. Dann die Reihe derer, deren Engagement für die gemeinsame Sache überschaubar war, allen voran die mächtigen Landesfürsten. Wenn man dazu noch das latente Krawallpotenzial in Bayern berücksichtigt, kann sich jeder ohne weiteres verschworene Truppen in der CDU vorstellen – allerdings eher gegeneinander als gegen politische Gegner.

Dieses Bild zu ändern ist nicht einfach. Allein schon deshalb, weil sich dem Publikum bestimmte Muster so fest eingeprägt haben, dass sie kaum mehr aufzubrechen sind. Sollte der Hesse Koch eines – zugegeben: unwahrscheinlichen – Tages beschließen, mit voller Kraft Angela Merkel zur Kanzlerschaft zu verhelfen, würde ihm das wahrscheinlich allseits als besondere Form der Heimtücke ausgelegt. Dass Merkel auf diese Personallage, wie ihre Entscheidungen in der Fraktion zeigen, mit einem weitgehenden personellen Neuaufbau reagiert, ist nur logisch. Sich die Jungen Wilden der Ära Kohl zu Verbündeten zu machen, ist auf lange Sicht auch klug. Und geschickt. Aber allenfalls Insider kennen diese Riege der heute Vierzigjährigen, die Pofalla und Meister und Röttgen. Selbst einer wie Kauder ist jenseits der Reichstagskuppel praktisch unbekannt. Das eine Jahr, das ihnen bis zum Anlaufen des Bundestagswahlkampfs noch bleibt, ist da eine sehr kurze Zeit.

Nun wäre das alles nicht weiter dramatisch. Wer zufällig ein Gruppenfoto vom ersten Kabinett Schröder zur Hand hat, mag sich wundern, wer es damals alles zu Ministerehren gebracht hat. Auch das erste Kabinett Kohl bestand nicht ausschließlich aus Heroen. Die jetzt so viel beachteten Personalnöte der Angela Merkel werden sich absehbar relativieren, wenn es ernst wird. Ernster ist die andere Frage, die Kauders Ruf nach der verschworenen Truppe aufwirft.

So richtig es ist, dass hier zu Lande nicht Oppositionen gewählt, sondern Regierungen abgewählt werden, so richtig ist doch auch, dass eine Opposition nur dann gewählt wird, wenn sie ein Mindestmaß an innerer Glaubwürdigkeit ausstrahlt. Diese Geschlossenheit mag auf Insider ein bisschen künstlich wirken. Oskar Lafontaine hat die SPD seinerzeit mit der Blockade gegen die Waigel’sche Steuerreform zu einer äußeren Disziplin gezwungen, die nach innen hin keineswegs jeder mit gleicher Begeisterung verfochten hat. Aber die SPD hatte begriffen: Wer regieren will, muss ausstrahlen, dass er regieren will.

Davon ist die Union noch weit entfernt. Und das liegt nicht an irgendwelchen inhaltlichen Differenzen oder an einem Mangel an programmatischem Profil. Merkel und ihr General haben schon richtig erkannt, dass es daran liegt, ob und wie die eigene Partei die Spitze trägt. Beide können dafür nicht viel mehr tun als an Einsicht und Corpsgeist der eigenen Gefolgschaft zu appellieren – und der Union Anlass geben, sich selber gut zu finden. Falls das die CDU tröstet: Gerhard Schröder haben sie einst in der SPD auch mehr aus Einsicht in die Notwendigkeit zum Kanzlerkandidaten gemacht.

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