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Demonstranten fordern am Freitag in Istanbul vor dem saudischen Konsulat Kaschoggis Freilassung.

© Ozan Kose/AFP

Verschwundener Exiljournalist: Wurde der saudische Regimekritiker entführt?

Am Dienstag ist Dschemal Kaschoggi von einem Termin im saudischen Konsulat in Istanbul nicht zurückgekehrt. Freunde glauben, er soll nach Riad gebracht werden.

Das rätselhafte Verschwinden eines saudischen Regimekritikers in Istanbul facht Spannungen zwischen der Türkei und Saudi-Arabien an. Das Außenamt in Ankara bestellte jetzt den saudischen Botschafter ein, um ihn zum Verbleib des Exil-Journalisten Dschemal Kaschoggi zu befragen. Der war am Dienstag von einem Termin im saudischen Konsulat in Istanbul nicht zurückgekehrt.

Der 59-jähriger Kaschoggi war im vergangenen Jahr ins amerikanische Exil gegangen, weil er mit der Politik des saudischen Kronprinzen Mohammed bin Salman nicht einverstanden war. Der Thronfolger, häufig nur MBS genannt, will das Königreich mit Hilfe wirtschaftlicher Reformen modernisieren, duldet jedoch keinen Widerspruch. Er hat potenzielle Gegner aus der Königsfamilie und Dissidenten einsperren lassen.

Kaschoggi rügte unter anderem das autokratische Verhalten des Prinzen und den brutalen Krieg der Saudis in Jemen. Als Kolumnist der „Washington Post“ befürwortete er kürzlich auch einen Dialog mit Vertretern des politischen Islam wie der Muslim-Bruderschaft, die in Riad als staatsfeindlich verfolgt wird.

Ist der saudische Kronprinz in den Fall verwickelt?

In Istanbul wollte Kaschoggi diese Woche eine Bestätigung des saudischen Konsulats über die Scheidung von seiner früheren Ehefrau abholen, weil er seine türkische Verlobte Hatice Arzu heiraten will. Vor seinem Termin gab er Arzu sein Handy und trug ihr auf, einen Vertrauten in der türkischen Regierungspartei AKP und einen türkisch-arabischen Journalistenverband anzurufen, falls er nicht zurückkehren sollte.

Entweder werde der Regimekritiker im Konsulat verhört oder er sei heimlich aus dem Gebäude gebracht worden, spekulierte die regierungsnahe türkische Zeitung „Takvim". Am Freitag versammelten sich Demonstranten vor dem saudischen Konsulat, um die Freilassung des Journalisten zu fordern.

Freunde vermuten, dass Kaschoggi heimlich nach Riad gebracht werden soll. Schon im vergangenen Jahr hatte MBS für Schlagzeilen gesorgt, als Libanons Premier Saad al Hariri von einem Besuch in Saudi-Arabien nicht heimkehrte und – angeblich unter saudischem Druck – seinen Rücktritt erklärte. Erst nach Wochen flog Hariri nach Hause und widerrief seinen Rücktritt.

Spannungen zwischen Riad und Ankara

Im Fall Kaschoggi zeigt sich auch die türkische Regierung besorgt. Präsidentensprecher Ibrahim Kalin bestätigte, dass der Journalist nicht mehr aus dem saudischen Konsulat zurückgekehrt sei. Dagegen erklärte Saudi-Arabien, Kaschoggi sei erst verschwunden, nachdem er die diplomatische Vertretung verlassen habe.

Sollte Kaschoggi tatsächlich mit Hilfe der diplomatischen Immunität saudischer Vertreter aus dem Land geschafft werden, wäre das eine neue Eskalation im Vorgehen der saudischen Regierung gegen ihre Kritiker im Ausland. Der Streit zwischen der Türkei und Saudi-Arabien wird sich in diesem Fall erheblich verschärfen.

Schon jetzt liegen die beiden Nationen im Clinch, weil die Türkei die Muslim-Bruderschaft und das Emirat Katar in dessen Konflikt mit Riad unterstützt.

Die Türkei ist in ihrer Kritik an mutmaßlichen illegalen Aktionen der Saudis im Ausland aber nicht sehr glaubwürdig. Der türkische Geheimdienst hat in einigen Ländern mehrere Dutzend mutmaßliche Anhänger des islamischen Predigers Fethullah Gülen festgenommen und ohne Gerichtsverfahren in die Türkei geflogen.

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