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Politik: "Versehen" von Ministerin Nolte entfacht Steuerdebatte

BONN .Eine Erhöhung der Mehrwertsteuer zur Mitfinanzierung der Steuerreform wird von der Bundesregierung nicht ins Auge gefaßt.

BONN .Eine Erhöhung der Mehrwertsteuer zur Mitfinanzierung der Steuerreform wird von der Bundesregierung nicht ins Auge gefaßt.Mit dieser Erklärung reagierten Finanzminister Theo Waigel (CSU) und der FDP-Fraktionsvorsitzende Hermann Otto Solms am Dienstag in Bonn auf Irritationen, die durch Äußerungen von Bundesfamilienministerin Claudia Nolte (CDU) ausgelöst worden waren: Sie hatte am Montag abend in einer Veranstaltung im thüringischen Suhl eine Mehrwertsteuer-Erhöhung angekündigt und die Äußerung am Dienstag als "Versehen" wieder zurückgenommen.Die Opposition nannte das Dementi "unglaubwürdig".

SPD und Bündnisgrüne vermuteten, die Familienministerin habe sich "verplappert" und ausgedrückt, was die Koalition in Wahrheit plane.Der SPD-Vorsitzende Oskar Lafontaine warnte nachdrücklich vor einem solchen Schritt; eine Anhebung der Mehrwertsteuer wäre "extrem ungerecht und wirtschaftspolitisch außerordentlich gefährlich".Damit würde die schwache Binnenkonjunktur abgewürgt und Arbeitsplätze würden vernichtet.Die SPD-Finanzexpertin Ingrid Matthäus-Maier sagte zu dem Dementi der Ministerin: "Die Koalition sieht sich ertappt und läßt kräftig dementieren." Und Bundestagsvizepräsident Hans-Ulrich Klose (SPD) betonte gegenüber dem Tagesspiegel lakonisch: "Eigentlich müßte man Frau Nolte dankbar sein, daß sie für die CDU vor der Wahl gesagt hat, was für die Zeit danach geplant ist."

Die Familienministerin hatte in einer Veranstaltung eine Erhöhung der Mehrwertsteuer zur Entlastung unterer Einkommensgruppen bei der Lohnsteuer sozial begründet.Sie hatte argumentiert, besonders Haushalte mit hohen Einkommen könnten konsumieren und seien deswegen zuvorderst von der Mehrwertsteuer-Erhöhung betroffen.Dabei war ihr entgegengehalten worden, besonders Kleinverdiener müßten einen Großteil ihres Einkommens für den Konsum ausgeben.Am Dienstag erklärte die Ministerin in Bonn: "Was die Mehrwertsteuer angeht, ist mir während einer Diskussionsrunde in der Hitze des Gefechts ein Versehen unterlaufen." Mit der Klarstellung durch Waigel und Solms hat die Bundesregierung zugleich ein verändertes Vorgehen bei der Steuerreform signalisiert.Der Finanzminister hatte vor kurzem erst die geplante Anhebung indirekter Steuern bestätigt, wie sie nach dem Bundestagsbeschluß vom 30.Juni eingeplant ist.Damit sollte ein Teil der ursprünglich 30 Milliarden DM Nettoentlastung finanziert werden.Dieses Vorgehen ist in einer Fußnote des Gesetzes genannt, das im Falle eines Wahlsieges in unveränderter Form wieder aufgenommen werden sollte.Es ging insgesamt um eine Gegenfinanzierung von 16 Milliarden DM.Dafür kam bislang nur die Anhebung der Mehrwertsteuer von 16 auf 17 Prozent oder die Erhöhung der Mineralölsteuer in Frage.

KLAUS J.SCHWEHN

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