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Politik: Versicherte zahlen Gesundheitsreform

Sie erbringen 17 von 20 Milliarden Einsparungen / Zehn Euro Gebühr pro Quartal für Arztbesuche

Berlin. Die Konsensvorschläge zur Gesundheitsreform sind von SPD und Union positiv aufgenommen worden. Die Grünen nannten den Kompromiss „notwendig und alternativlos“, die FDP meldete Nachbesserungswünsche an. Nach 15-stündigem Verhandlungsmarathon hatten Sozialministerin Ulla Schmidt und CSU-Vize Horst Seehofer am frühen Montagmorgen den Durchbruch erreicht. Die Parteiführungen wurden im Tagesverlauf informiert. Nun soll ein gemeinsamer Gesetzentwurf aller Fraktionen in den Bundestag eingebracht werden. Die Versicherten tragen zum Einsparvolumen von 20 Milliarden rund 17 Milliarden bei.

Von Robert von Rimscha

und Rainer Woratschka

Durch die Reform soll der Krankenversicherungsbeitrag von derzeit 15 auf 13 Prozent des Bruttoeinkommens gesenkt werden. Im Einzelnen ist geplant, den Zahnersatz von 2005 an und das Krankengeld von 2007 an zwar weiter obligatorisch zu versichern, dies aber allein von den Arbeitnehmern bezahlen zu lassen. Sterbegeld, Entbindungsgeld und Sterilisationen müssen künftig privat finanziert werden. Nur noch Minderjährige erhalten Sehhilfen von den Kassen. Taxifahrten zum Arzt und Medikamente gegen Potenzstörungen werden nicht mehr bezahlt. Für künstliche Befruchtungen wird eine Eigenbeteiligung von 50 Prozent eingeführt. Generell werden nicht verschreibungspflichtige Medikamente nicht mehr erstattet. Auf eine Positivliste soll verzichtet werden. Grundsätzlich müssen sich Kranke mit zehn Euro pro Quartal an den Kosten für Arztbesuche und mit zehn Euro täglich für maximal 28 Tage an Klinikaufenthalten beteiligen.

Kanzler Gerhard Schröder sprach von einer „sorgsam ausgewogenen Balance“ der Ergebnisse. Ministerin Schmidt sagte: „Unser Ziel ist weniger Beiträge für alle, auch wenn auf die Patienten Zusatzkosten zukommen. Wer das Gesamtwerk betrachtet, wird sehen, wie ausgewogen das Ergebnis ist.“ CSU-Chef Stoiber meinte, die „soziale Balance“ sei „gehalten“. CDU-Chefin Angela Merkel sprach von einer „guten Grundlage“. Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Wolfgang Böhmer nannte den überparteilichen Kompromiss ein Vorbild für andere Reformthemen. FDP-Fraktionschef Wolfgang Gerhardt sagte dem Tagesspiegel, die Einigung gleiche einem „null zu null im Sport“. Das Erreichen der Sparziele sei fraglich, eine langfristige Strukturreform nicht erreicht worden. Deshalb behalte sich die FDP-Fraktion die Zustimmung noch vor. Kritik übte auch der SPD-Sozialexperte Peter Dreßen. „Gewinner sind die Pharma-Industrie und die Ärzte, die Versicherten dagegen die Verlierer“, sagte er. In einer Sitzung des erweiterten SPD-Vorstandes gab es zum Kompromiss zwei Gegenstimmen und zwei Enthaltungen.

Als „Pakt gegen die Schwachen“ kritisierte der Chef des Marburger Bundes, Frank Ulrich Montgomery, die Einigung. Während man den Grundsatz der paritätischen Krankenversicherung „immer noch wie eine Monstranz vor sich herträgt", sei tatsächlich alles darauf ausgerichtet, „die Arbeitgeber aus der Parität herauszubekommen", sagte er. Auch stünden Aufwand und Ertrag der Konsensgespräche „in keinem Verhältnis“. Ärzte-Präsident Jörg-Dietrich Hoppe lobte eine größere Eigenbeteiligung der Patienten als vernünftig.

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