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Durch die Decke. Gesundheitsminister Jens Spahn muss den Krankenkassen mit Milliarden helfen.

© Kay Nietfeld/dpa

Versicherungen dringen auf mehr Bundeszuschuss: Den Krankenkassen reichen sieben Milliarden nicht

Den gesetzlichen Kassen reichen die anvisierten sieben Milliarden Euro als Bundeszuschuss nicht. Und sie wollen endlich Klarheit für ihre Planungen.

Die gesetzlichen Krankenversicherungen (GKV) verlangen eine weit üppigere Finanzspritze des Bundes für 2022 als zwischen Bundesgesundheitsministerium (BMG) und Bundesfinanzministerium (BMF) anvisiert. Für eine absehbare Lücke von 18 Milliarden Euro im kommenden Jahr reichten die nun angekündigten sieben Milliarden Euro bei weitem nicht, sagte die Chefin des GKV-Spitzenverbandes, Doris Pfeiffer. Die Solidargemeinschaft der Kassen brauche jetzt eine glasklare gesetzliche Regelung für eine verlässliche Haushaltsplanung, um steigende Zusatzbeiträge zu vermeiden.

Kritik kam auch vom Dachverband der Betriebskrankenkassen (BKK). Durch den Kompromiss werde „die vorhandene Unterdeckung des Gesundheitsfonds noch weiter verstärkt“ – was sich dann auch unmittelbar auf die Zusatzbeitragssätze auswirken werde. Ein Bundeszuschuss von sieben Milliarden Euro klinge zwar nach viel Geld, könne aber „derzeit nur ein Platzhalter für die avisierte Feinjustierung durch Rechtsverordnung sein“, sagte Verbandschef Franz Knieps. Schließlich seien die Rücklagen der Krankenkassen „bis Ende 2021, wie politisch vorgegeben, fast vollständig abgebaut“. Und die „in Zeiten sprudelnder Einnahmen verabschiedeten Gesetze“ schlügen 2022 ebenso zu Buche wie sinkende Beitragseinnahmen infolge der Pandemie. Notwendige Anpassungen der Versorgungsstrukturen im Gesundheitswesen dagegen seien kaum angegangen worden.

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DAK-Chef drängt auf zügige Entscheidung

Wie berichtet hatte Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) einen deutlich höheren Sonderzuschuss, nämlich in Höhe von 12,5 Milliarden Euro, vorgeschlagen. Doch auch mit der jetzt anvisierten Summe von sieben Milliarden stiege der Bundeszuschuss auf ein neues Rekordniveau von 21,5 Milliarden. Für dieses Jahr gibt der Bund bereits einen Extra-Zuschuss von fünf Milliarden Euro über die regulären 14,5 Milliarden Euro hinaus.

Und der Kompromiss hält höhere Zuweisungen in einer Flexibilitätsklausel ausdrücklich offen: Sollte sich im Verlauf dieses Jahres ein veränderter Finanzbedarf ergeben, so heißt es in dem gemeinsamen Papier beider Ministerien, könne das Gesundheitsministerium in Einvernehmen mit dem Finanzressort und mit Zustimmung des Bundestags den Zuschuss erhöhen. Oder senken – was allerdings kaum erwartbar ist.

Der Vorstandschef der DAK, Andreas Storm, drängt allerdings auf eine zügige Entscheidung. „Will die Bundesregierung die zugesagte Sozialgarantie einhalten, muss die Höhe der Zuwendungen aus Bundesmitteln für die GKV zwingend vor der Bundestagswahl entschieden sein“, sagte Storm dem Tagesspiegel Background Gesundheit & E-Health. Es sei „nahezu ausgeschlossen, dass ein neu gewählter Bundestag in seiner konstituierenden Sitzung in der zweiten Oktoberhälfte eine so grundsätzliche Entscheidung über die Finanzausstattung der GKV treffen wird“. Für die Krankenkassen sei es aber „zwingend erforderlich, dass der durchschnittliche Zusatzbeitrag bereits bis Ende Oktober fest steht, da er die Grundlage für die Aufstellung der Kassenhaushalte im kommenden Jahr darstellt“.

Sorge um 40-Prozentmarke der Sozialversicherungen

Um die 40-Prozentmarke beim Gesamtsozialversicherungsbeitrag nicht zu überschreiten, müsse der durchschnittliche Zusatzbeitragssatz auf dem derzeitigen Niveau von 1,3 Prozentpunkten auch für das nächste Jahr fortgeschrieben werden, so Storm. Und: Der Bund müsse in diesem Fall garantieren, dass die notwendigen Finanzmittel über den Gesundheitsfonds automatisch bereit gestellt werden. Alternativ böte sich aus Storms Sicht „auch die Möglichkeit, durch eine zeitnahe Sonderschätzung des GKV-Schätzerkreises den voraussichtlichen Finanzbedarf der GKV zu bestimmen“. Auf dieser Grundlage könne der erforderliche Bundeszuschuss ohne Verzögerung festgelegt werden. „Nur unter dieser Voraussetzung lässt sich die Sozialgarantie im nächsten Jahr einhalten, sonst wäre ein spürbarer Beitragssatzanstieg nicht zu vermeiden.“

Sieben Milliarden reichten nicht, twitterte auch der Vorstandschef der Viactiv Betriebskrankenkasse, Reinhard Brücker. Die beiden Ministerien – BMF und BMG –  müssten in Sachen Finanzen „Fakten akzeptieren, Wahltaktik beenden, Verantwortung übernehmen“. Zuvor hatte der AOK-Bundesverband bereits die ursprünglich angekündigten 12,5 Milliarden als „in der Höhe unzureichend“ bezeichnet. Es handle sich um einen „Schnellschuss im beginnenden Wahlkampf“, denn eine solche Erhöhung werde „die Defizite der GKV, die sich abzeichnen, nur kurzfristig ausgleichen“, so Vorstandschef Martin Litsch. Nötig seien „ein verlässlicher Bundesbeitrag für alle versicherungsfremden Leistungen in der GKV“ sowie die Anhebung der Pauschalen für ALG-II-Leistungsberechtigte. Außerdem dürften „Einsparungen kein Tabu sein, beispielsweise im kostspieligen Arzneimittelbereich“.

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