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Schwierige Partner: Die CDU-Vorsitzende Angela Merkel und CSU-Chef Horst Seehofer.

© Daniel Karmann/dpa

Versöhnungstreffen der Union: Vergeben und vergessen?

Die Flüchtlingszahlen sind zurückgegangen – und damit hat sich der Anlass für die Versöhnungsklausur der Union an diesem Freitag eigentlich erledigt. Oder doch nicht?

Von Robert Birnbaum

Es gibt welche in der CDU, die müssen sich jetzt manchmal selber in den Arm kneifen. Solche zum Beispiel, die vor einer Woche im Kanzleramt dabei waren, als Angela Merkel und Horst Seehofer ihre Versöhnungsklausur im Kreis von Partei- und Fraktionsspitzen vorbereiteten. Ein bisschen gespenstisch sei das schon gewesen, berichtet einer. Total friedlich nämlich, sachbezogen, ja freundlich. Hat das letzte halbe Jahr überhaupt stattgefunden? Dieses halbe Jahr der Dauerkanonade aus München, vom ersten Tag der Flüchtlingskrise an bis vor drei Wochen, von der Drohung mit "Notwehr" und Verfassungsklage bis zum Spiel mit der Spaltung der Union?

Es hat aber natürlich doch stattgefunden, und es wird auch so schnell keiner vergessen. Seehofer nicht, der sowieso das Gedächtnis und die Empfindlichkeit eines Elefanten hat. Und Merkel auch nicht, die sich weniger am Inhalt der Zwischenrufe aus München gestört hat als am Ton. Als Wolfgang Schäuble vor drei Wochen forderte, die "Attacken gegen Merkel" einzustellen, traf er genau den Punkt. Aus dem Streit über die Flüchtlingspolitik war ein Angriff auf die CDU-Chefin und ihren Kurs geworden.

Dass es so nicht weitergehen konnte, war im Grunde allen Beteiligten klar. Mit dem Rückgang der Flüchtlingszahlen war der Anlass erledigt. Aber Seehofer fand den Weg nicht heraus, sondern immer neue Anlässe. Und Merkel war nicht bereit, ihm leichten Anlass zu bieten.

CDU und CSU sind viel unterschiedlicher, als es scheint

Dass die Kanzlerin so überhaupt nicht auf die Angriffe antwortete, hat die Christsozialen schier verrückt gemacht. "Weil die andere Seite schlichtweg nicht darauf reagiert", rechtfertigte Alt-Ministerpräsident Günther Beckstein einmal den Nachfolger: Was sollen wir denn noch alles machen, damit sie endlich auf uns hört?

Tatsächlich steckt hinter all dem Theaterdonner ein Grundkonflikt, der über den aktuellen Anlass hinausgeht. CDU und CSU sind viel unterschiedlichere Parteien, als die Fraktionsgemeinschaft im Bundestag es scheinen lässt. Denn die Christsozialen sind – unbeschadet aller bundes- und europapolitischen Ansprüche – zuletzt immer auf Bayern fixiert.

Das ist legitim, aber folgenreich. Noch Seehofers Kurvenspiele, mit denen er zu beweisen suchte, dass Österreichs Obergrenze die Flüchtlinge gestoppt habe und nicht Merkels türkisch-europäische Lösung – noch dieser milde alberne Statistikkrieg also zeigte, dass ein bayerischer Ministerpräsident über Kiefersfelden nur notfalls hinausblickt.

Sie gingen Merkels Weg mit - solange er Erfolg versprach

Umgekehrt ist der CDU das Schicksal der CSU egal, solange bei der Schwesterpartei bloß die absolute Mehrheit bedroht ist. Der Aufstieg der AfD jagt Merkel nicht halb so viel Panik ein wie dem CSU-Chef. Die Populistentruppe macht rot-rot-grüne Mehrheiten im Bund unwahrscheinlich und absolute Mehrheiten der Union unmöglich – zwei Effekte, die der Kanzlerin recht sein dürften.

Für die CSU liegt genau darin die Bedrohung. Voraussetzung für ihre Alleinregierung – für Seehofer sein "Lebenswerk" – ist die Einbindung aller halbwegs "bürgerlichen" Wähler. Merkels Weg in die Mitte ist die CSU eifrig mitgegangen, solange er Zuwachs versprach. Jetzt fürchten sie in München, dass die CDU-Chefin den Bogen überspannt haben könnte.

Trotzdem werden sie sich wieder zusammenraufen auf der Halbinsel Hermannswerder, bei Referaten über globale Großthemen – Migration inklusive, aber sicherheitshalber auch bloß im Großen betrachtet – und gemeinsamem Grillen am Freitagabend. Konkrete Ergebnisse soll es nicht geben, auch wenn die CSU sich das ursprünglich anders gedacht hatte. Die Bayern sind schon halb im Wahlkampfmodus, was bei ihnen konkret heißt: auf der Suche nach zündenden Profilierungsthemen. Der chronisch mangelnde Ehrgeiz der CDU in diese Richtung trägt auch zur Dauer-Irritation im Geschwisterverhältnis bei.

Die wird bleiben, und sie wird noch oft aufbrechen. Fast hätte der CDU-Generalsekretär Peter Tauber ja gleich wieder den nächsten Streit losgetreten mit der Bemerkung, dass CDU und CSU gemeinsam in den Wahlkampf 2017 zögen, das stehe vorher schon fest. Nix steht fest, murrt es prompt aus München, und schon gar nicht stellt das dieser Tauber fest. Wann wir wieder Frieden geben, das bestimmen wir allemal immer noch selbst!

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