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Im Machermodus. Boris Johnson und Finanzminister Rishi Sunak. Derzeit läuft es aber nicht so gut mit der Versorgung der Bevölkerung.

© dpa

Versorgungsengpässe in Großbritannien: Es ist eben doch eine Brexit-Folge

Die Regierung will kurzzeitig LKW-Fahrer vom Kontinent ins Land lassen - und räumt damit ein, dass die Insel gar nicht so autonom ist. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Sebastian Borger

Als die Konservativen vor Monaten ihr Jahrestreffen planten, stand die Covid-Pandemie im Mittelpunkt der öffentlichen Diskussion. Das Ergebnis war eine Hybrid-Veranstaltung.

Nun, da seit Wochen eine Versorgungskrise das Land überschattet, wirkt das Hybridevent wie geschaffen zum Benzinsparen – und zur Vermeidung unangenehmer Begegnungen mit enttäuschten oder wütenden Bevölkerungsgruppen. Davon gibt es reichlich.

Der Hauptgrund dafür sind die wirtschaftlichen Beeinträchtigungen, denen die Insel seit dem endgültigen Ausstieg aus dem EU-Binnenmarkt zu Jahresbeginn zunehmend ausgesetzt ist.

Immerhin haben Premier Boris Johnson und seine Leute in den vergangenen Tagen eine Frontbegradigung vorgenommen. Zu Beginn der akuten Benzinkrise vor mehr als zehn Tagen pflegten die Propagandisten der Downing Street stets jeden Bezug zum Brexit zu leugnen: Versorgungsschwierigkeiten gebe es weltweit, Lastkraftfahrer fehlten auch in vielen europäischen Ländern.

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Sich selbst mutwillig Schaden zugefügt - mitten in der Pandemie

Das ist zwar nicht falsch, wahr ist aber auch: Kein anderes Land hat sich mitten in einer längst nicht bewältigten Pandemie mutwillig zusätzlichen wirtschaftlichen Schaden zugefügt. Der harte Bruch mit der EU, den die Londoner Brexit-Ideologen durchsetzten, zeitigt die längst vorhergesagten Folgen. Ausgerechnet jenes Land, in dem die berufliche Bildung seit Jahrzehnten brachliegt, zeigte Millionen von arbeitswilligen Europäern vom Kontinent die Tür.

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Jetzt wurde nicht nur die Armee zum Fahren von Tankern abkommandiert. Plötzlich war auch möglich, was diverse Berufsverbände seit Monaten fordern, was aber aus ideologischen Gründen eigentlich nicht geht: dass wenigstens zeitlich begrenzte Arbeitsvisa für EU-Bürger ausgestellt werden, ohne deren Arbeitskraft und Expertise wichtige Teile der britischen Wirtschaft nicht funktionieren. Nun sollen 5000 Brummifahrer vom Kontinent die Supermärkte und Tankstellen beliefern; 5500 Arbeiter werden zur Mitarbeit in der Landwirtschaft ins Land gelassen.

Premier Johnson gibt also, wenigstens indirekt, den Zusammenhang der Probleme mit dem EU-Austritt zu, spricht aber gleichzeitig davon, genau diese Abhängigkeit von ausländischen Arbeitskräften solle die Brexit-Insel zukünftig vermeiden. Dies sei ein „kaputtes Wirtschaftsmodell“. Stattdessen müssten die betroffenen Branchen ihre Leute besser ausbilden und bezahlen. Ob ihnen der Umschwung zu einer Ökonomie gelingt, die Arbeitnehmern deutlich höhere Rechte einräumt? Darauf scheint Johnson zu setzen – und zwar so rechtzeitig, dass er spätestens im Frühjahr 2024 gegen die wiedererstarkte Labour-Opposition unter Keir Starmer gewinnen kann. Bis Weihnachten jedenfalls, so ehrlich war der Premierminister in Medieninterviews immerhin, dürften die Versorgungsschwierigkeiten nicht behoben sein. Den Konservativen steht ein heißer Herbst bevor.

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