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Politik: Versprochen

Italiens Ministerpräsident Berlusconi rühmt sich zu Unrecht, alle Wahlzusagen eingelöst zu haben

Gerade noch geschafft. Zwei Wochen vor der Parlamentswahl in Italien hat der Baukonzern Impregilo einen Vertrag für das wohl strahlendste Bauwerk aus dem Verheißungskatalog des Silvio Berlusconi unterschrieben: für die Brücke über die Straße von Messina, die – ab 2012 – angeblich längste Hängebrücke der Welt.

„Große Werke“, „Grandi Opere“, zur Modernisierung der Infrastruktur hatte Berlusconi in seinem „Vertrag mit den Italienern“ vor der Wahl 2001 versprochen: Straßen, Auto- und U-Bahnen, den Hochwasserschutz für Venedig, die Brücke nach Sizilien. Sollte er den Vertrag brechen, versprach er damals, werde er zur Wiederwahl nicht antreten. „36 große Reformen haben wir vollbracht und alle unsere Wahlversprechen vollständig eingelöst“, rühmt sich jetzt der italienische Ministerpräsident.

Doch Berlusconi hat sein Ziel nicht erreicht: Für 40 Prozent der Maßnahmen sollten zumindest die Baustellen eröffnet sein; bei nur 25 Prozent endet nun die Legislaturperiode. Noch gravierender: die Hälfte der im ersten Anlauf beschlossenen Objekte harrt noch der Finanzierung. Allein für sie, so rechnet es die Wirtschaftszeitung „Il Sole 24 Ore“ vor, fehlen 16 Milliarden Euro.

Versprochen hat Berlusconi auch die Halbierung der Arbeitslosenrate von damals 9,2 Prozent durch die Schaffung von einer Million Arbeitsplätzen. Die Million ist erreicht, aber die Arbeitslosenrate ist nur auf 7,7 Prozent gefallen. Tatsächlich ist von der Million nur ein geringer Teil wirklich neu. Allein 635 000 sind „entstanden“ durch die Legalisierung von Ausländern, die zuvor schon, schwarz, einen Job hatten. Andere sind Teilzeitstellen oder befristete Tätigkeiten. Italiens statistisches Amt schreibt zudem, der Rückgang der Arbeitslosenquote sei ein statistischer Effekt, „hauptsächlich zurückzuführen auf die Entmutigung von Arbeitssuchenden“.

Und so gut wie gar nichts hat sich geändert an den klassischen Problemen Italiens: der Besserstellung der Männer gegenüber den Frauen, dem gewaltigen Gefälle von Nord nach Süd.

Einer im Prinzip als gelungen eingestuften Rentenreform mit Erhöhung des Pensionsalters und Anreizen für Arbeitnehmer, die länger im Beruf bleiben, steht jener Kniff gegenüber, mit dem Berlusconi sein Rentenversprechen als vollständig erreicht melden kann. Er hat tatsächlich die Mindestrenten auf 516,46 Euro angehoben – aber nur für den kleineren Teil der Senioren: für die über Siebzigjährigen. Das heißt: 1,8 Millionen Rentner gelten als begünstigt, fünf weitere Millionen gehen leer aus. „Sozialer“ als ursprünglich geplant endete die zur Hälfte geschaffte Steuerreform. „Eine spürbare Entlastung der Bürger“ war versprochen, gesunken ist die Steuerquote von 42,2 auf 41,2 Prozent. Gescheitert ist der Multimilliardär Berlusconi mit dem Versuch, die Reichen (mehr als 100 000 Euro Jahreseinkommen) überproportional zu entlasten; vergleichsweise stärker profitieren niedrige und mittlere Einkommen bis 26 000 Euro. Allerdings boten die vielfältigen „Condoni“, die Steueramnestien, gerade den Spitzenverdienern zahlreiche Gelegenheiten, ihren Fiskalpflichten zu entrinnen. Auch Berlusconi, seine Medien- und Fußballunternehmen, haben von diesen „Condoni“ profitiert und Steuernachzahlungen in mindestens zweistelliger Millionenhöhe vermieden.

Für „hundertprozentig verfehlt“ hält der Soziologe Luca Ricolfi die Versprechen Berlusconis zur öffentlichen Sicherheit und zur Reduzierung der Straftaten. Die Zahl der angezeigten Verbrechen ist in der ablaufenden Legislaturperiode von 2,1 auf mehr als 2,4 Millionen gestiegen. Andererseits hat Italien eine Herausforderung bewältigt – oder passiv überstanden –, die Berlusconi bei seinen Wahlversprechen 2001 nicht absehen konnte: die des internationalen Terrorismus. Bis heute kam es zu keinen Anschlägen.

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