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Politik: Verständnis für Hartz-Proteste

Politbarometer: Bürger lehnen geänderte Arbeitslosenhilfe ab. Doch die Zustimmung zu Reformen wächst

Für das Politbarometer im Auftrag von ZDF und Tagesspiegel wurden vom 24. bis 26. August 1635 Bürger befragt.

Trotz der massiven Proteste gegen die Zusammenlegung von Arbeitslosen- und Sozialhilfe haben die beiden Volksparteien keine weiteren Stimmen verloren. Wenn am kommenden Sonntag Bundestagswahl wäre, käme die SPD im Vergleich zum Juli unverändert auf 26 Prozent, die Union auf 45 Prozent. Dagegen würden die Grünen (zehn Prozent) und die FDP (sechs Prozent) jeweils einen Prozentpunkt verlieren. Die PDS würde einen Prozentpunkt auf sechs Prozent zulegen, auch die sonstigen Parteien würden einen Prozentpunkt gewinnen.

Zwar sind die Bürger auch weiterhin mit der Leistung aller Parteien unzufrieden. Dennoch sind 35 Prozent der Befragten der Meinung, die Regierung mache ihre Sache alles in allem eher gut. Im Juli waren es noch 29 Prozent. Allerdings hat der Prozentsatz derjenigen zugenommen, die mit der Demokratie insgesamt unzufrieden sind. Knapp die Hälfte zweifelt inzwischen am System, ein Wert, der nach Angaben der Forschungsgruppe Wahlen seit der deutschen Einheit nur selten erreicht wurde. 43 Prozent der Deutschen sehen „eine Reihe von größeren Problemen“ in der Gesellschaft, 38 Prozent bewerten diese Probleme sogar als „eine schwere Krise“, weitere 15 Prozent haben sogar den Eindruck, „dass wir uns auf eine Katastrophe zubewegen“. Lediglich drei Prozent halten die Lage für „im Großen und Ganzen in Ordnung“. Allerdings sind immer noch mehr als die Hälfte der Bürger überzeugt, dass es den Deutschen noch besser geht als den anderen Nachbarn in Westeuropa.

Die Meinungen über Hartz IV gehen in Ost und West weit auseinander. Der Anteil derjenigen, die Leistungskürzungen im Zuge der Hartz-Reformen für richtig halten, ist im Vergleich zum Juli um fünf Prozentpunkte auf 46 Prozent gesunken. 47 Prozent halten die Kürzungen für falsch. Allerdings halten die Westdeutschen die Einschnitte mehrheitlich für richtig, im Osten werden sie grundsätzlich abgelehnt. Weniger Probleme haben die Bürger mit den verschärften Zumutbarkeitsregeln. Dass Langzeitarbeitslose künftig auch eine Arbeit annehmen müssen, deren Bezahlung bis zu 30 Prozent unter dem jeweiligen Lohnniveau liegt, halten 64 Prozent der Deutschen für richtig, nur 32 Prozent sind dagegen. Nur 29 Prozent erwarten, dass durch die Umsetzung von Hartz IV wieder mehr Menschen einen Arbeitsplatz bekommen.

Trotzdem wächst die Einsicht in die Notwendigkeit von Reformen insgesamt. Zu Jahresbeginn waren lediglich 35 Prozent der Bürger der Meinung, Reformen seien notwendig, Ende Juni waren es 39 Prozent, im August sind es nunmehr 46 Prozent. 88 Prozent sind überzeugt, dass es auch weiterhin Handlungsbedarf gibt. Immerhin 49 Prozent der Wähler halten es für gut, dass Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) an seinem Kurs festhält.

Die Mehrheit der Deutschen lobt dennoch die so genannten Montagsdemonstrationen gegen Hartz IV. 59 Prozent aller Befragten finden den Protest richtig, davon 56 Prozent im Westen und 73 Prozent im Osten. Allerdings vermuten 83 Prozent der Befragten, dass Hartz IV tatsächlich nicht die wichtigste Motivation für die Demonstrationen ist, 83 Prozent vermuten eine allgemeine Enttäuschung über die Wirtschaftslage im Osten als wichtigsten Grund für die Proteste.

Bei der Debatte um die künftige Gesundheitsversorgung bevorzugen weiterhin 52 Prozent der Befragten einkommensabhängige Beiträge zur Krankenversicherung. Für eine Kopfpauschale, wie sie die Union vorgeschlagen hat, können sich lediglich 15 Prozent der Befragten erwärmen. Die meisten wollen allerdings am bestehenden System festhalten und lehnen auch eine Bürgerversicherung ab. Tsp

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