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Politik: Verteidigungsminister denkt an 200.000 Berufssoldaten - Wehrpflicht wird nicht abgeschafft

Das Bundesverteidigungsministerium ist offenbar nicht bereit, von der allgemeinen Wehrpflicht abzurücken und die Zahl der jährlichen Einberufungen so drastisch zu reduzieren, wie es in einem Gutachten der von Richard von Weizsäcker geleiteten Bundeswehrkommission gefordert werden wird. Wie der Tagesspiegel erfuhr, sollen künftig jeweils 60.

Das Bundesverteidigungsministerium ist offenbar nicht bereit, von der allgemeinen Wehrpflicht abzurücken und die Zahl der jährlichen Einberufungen so drastisch zu reduzieren, wie es in einem Gutachten der von Richard von Weizsäcker geleiteten Bundeswehrkommission gefordert werden wird. Wie der Tagesspiegel erfuhr, sollen künftig jeweils 60.000 bis 80.000 Wehrpflichtige dienen. Auf der Basis eines zehnmonatigen Grundwehrdienstes bedeutete dies, dass pro Jahr bis zu 95.000 junge Männer eingezogen werden können, etwa 40.000 weniger als derzeit. Um die Wehrgerechtigkeit nicht auszuhebeln, plant das Ministerium den Informationen nach "als Stellschraube" eine Verschärfung der Tauglichkeitskriterien. Bleibt es bei diesen Plänen, wäre auch der Zivildienst nicht gefährdet.

Das Verteidigungsministerium hält insgesamt offensichtlich eine Zahl von 200.000 Berufs- und Zeitsoldaten für angemessen. Zwischen Krisenreaktions- und den übrigen Einsatzkräften will man dabei nicht differenzieren. Die aus dem Weizsäcker-Gutachten kolportierte angebliche Empfehlung von 140.000 Soldaten für UN- und vergleichbare Mandatseinsätze halten enge Mitarbeiter des Ministers für eine falsche Darstellung. Dort wird auch darauf verwiesen, dass die allgemeine Wehrpflicht eine Versicherung gegen zuviele Auslandseinsätze ist.

In der Planungsabteilung des Ministeriums hält man eine tiefgreifende Strukturreform der Bundeswehr auch deshalb für notwendig, weil die Teilstreitkräfte aus technischen Gründen miteinander nicht kommunikationsfähig sind und es zuviele Ämter in zu vielen Führungsebenen gibt. Nach Tagesspiegelinformationen soll eine der Führungsebenen, die der Korps oder der Divisionen, ersatzlos gestrichen werden.

Im Rahmen der Strukturreform soll vor allem der zivile Bereich der Bundeswehr deutlich von 140.000 auf unter 100.000 Mitarbeiter reduziert werden. Nach den Berechnungen des Ministeriums kann dies ohne Entlassungen umgesetzt werden, weil in den kommenden Jahren etwa 30.000 Verwaltungsangehörige pensioniert werden. Insgesamt würde die Bundeswehr damit von jetzt 460.000 Angehörigen in Zivil und in Uniform auf etwa 360.000 schrumpfen.

Weitere Einsparungen will man durch die Verlagerung von Verkehrs- und Transportaufgaben auf die Wirtschaft erzielen. Das Potenzial der freien Wirtschaft soll auch bei der Organisation der 120 Standortverwaltungen, denen 640 Einzelstandorte unterstehen, genutzt werden. Künftig lässt sich, so die Argumentation des Ministeriums, die Existenz eines Standortes nicht mehr alleine wirtschaftlich begründen. Er müsse auch wirtschaftlich zu führen sein.

Für die Umsetzung der Reform hat sich das Ministerium einen Zeitrahmen von maximal fünf Jahren gesetzt. Bei der Frühjahrstagung der Nato am 8. Juni will der Minister die Bündnispartner offenbar schon über entsprechende Beschlüsse informieren. Da bis zum 21. Juni die Eckdaten für den kommenden Haushalt stehen müssen, muss das Ministerium bis dahin eine belastbare Kostenprognose ausgearbeitet haben. Eine lang andauernde Diskussion über Wehrpflicht und künftige Bundeswehrstärke hält man in der Umgebung Minister Scharpings im Hinblick auf die außenpolitische Glaubwürdigkeit der Bundesrepublik für riskant.

Gerd Appenzeller

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