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Verteidigungspolitik: Wehrpflicht ohne Muster

Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg will die Wehrpflicht aussetzen und keine Musterungen mehr durchführen. Unterstützung erhält er dabei aus den eigenen Reihen. Welche Folgen hat das?

Von Michael Schmidt

Im Zuge seiner umfassenden Bundeswehrreform will Bundesverteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) mit der Wehrpflicht künftig auch die Musterung aussetzen. „Die Musterung ist ebenso schwer zu rechtfertigen wie die Wehrpflicht als solche“, sagte Guttenberg. Wehrpflichtige würden jedoch auch weiterhin erfasst. „Wenn die Wehrpflicht im Grundgesetz bleibt, bleibt jeder junge Mann erst mal ein Wehrpflichtiger. Er wird noch nicht einberufen, aber er wird erfasst“, sagte der Minister im Gespräch mit TV-Moderator Reinhold Beckmann am Montag.

Die Musterung ist eine ärztliche Untersuchung, um die Tauglichkeit für den Wehrdienst festzustellen. Seit Einführung der Wehrpflicht in der Bundesrepublik vor mehr als 50 Jahren wurden Jahr für Jahr mehrere hunderttausend Männer gemustert. Zuletzt waren es mehr als 400 000 jährlich. Deshalb stellt sich die Frage, ob sich, sollte die Wehrpflicht fallen, der Aufwand lohnt, wenn es nur noch darum geht, am Ende, je nach politischer Vorgabe, 7500 bis 25 000 Freiwillige zu rekrutieren. Fraglich scheint zudem zu sein, ob nach Aussetzung der Wehrpflicht eine Zwangsuntersuchung ausschließlich junger Männer nicht verfassungswidrig ist.

Bei der Musterung wird entschieden, ob ein Wehrpflichtiger für den Grundwehrdienst zur Verfügung steht oder ob es Hinderungsgründe für seine Einberufung gibt. Sie umfasst eingehende ärztliche und psychologische Untersuchungen. Der ermittelte Tauglichkeitsgrad entscheidet dann über die Verwendung, wobei nur T1-Gemusterte (voll verwendungsfähig) sowie T2-Gemusterte (verwendungsfähig mit Einschränkung für bestimmte Tätigkeiten) tatsächlich eingezogen werden. Im Rahmen der Musterung entscheidet das Kreiswehrersatzamt auch über Anträge auf Befreiung und Zurückstellung vom Grundwehrdienst.

Zurzeit gibt es bundesweit 52 Kreiswehrersatzämter und sieben Musterungszentren. Sie decken den Bedarf der Bundeswehr an wehrpflichtigen jungen Männern und an Reservisten, die den Grundwehrdienst hinter sich haben und für Wehrübungen zur Verfügung stehen. Darüber hinaus sind sie Ansprechpartner für Wehrpflichtige und auch für Ungediente, die sich für eine Einberufung zu einer besonderen Auslandsverwendung interessieren – und für den freiwilligen zusätzlichen Wehrdienst (FWD).

Sollten Wehrpflicht und Musterung ausgesetzt werden, würde das nicht automatisch das Aus für alle Kreiswehrersatzämter bedeuten. Derzeit gibt es rund 5000 Dienstposten bei den Ersatzämtern. 1100 im so genannten Berufsförderungsdienst, die von einer Änderung der Wehrverfassung nicht betroffen wären. Aufgabe des Berufsförderungsdienstes ist es, den ausscheidenden Soldaten auf Zeit (SaZ) beim Übergang in einen Zivilberuf zu helfen. Von den anderen 3900 Mitarbeitern gehören 810 zum medizinischen Personal, das künftig zur Unterstützung der Streitkräfte und bei der Einberufung von Reservisten zu Auslandseinsätzen und bei Hilfeleistungen im In- und Ausland Verwendung finden könnte. Experten gehen davon aus, dass der psychologische Begutachtungs- und Beratungsbedarf in der Bundeswehr künftig eher noch zunehmen wird.

Unklar ist, ob sich die übrigen Mitarbeiter Sorgen um ihren Job machen müssen – als Beamte und Angestellte des öffentlichen Dienstes müssen sie für gewöhnlich allenfalls mit Versetzungen rechnen. In welchem Umfang, hängt unter anderem von der Antwort auf die Frage ab, ob für die geplante Freiwilligenrekrutierung in Zukunft nur die fünf Zentren für Nachwuchsgewinnung zuständig sein sollen. Oder ob, wofür Oppositionspolitiker sich zum Teil stark machen, die dezentrale Struktur der Kreiswehrersatzämter erhalten bleiben soll: Für das Kerngeschäft, die Musterung Freiwilliger wie Zeit- und Berufssoldaten. Aber auch, wie bisher schon, als Ansprechpartner für junge Leute, zur Betreuung von Reservisten und zwecks Organisation der Auslandsverwendung von Spezialisten.

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