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Politik: Vertracktes Verfahren

US-Regierung will Prozess wegen Entführung al Masris stoppen – aus Gründen der nationalen Sicherheit

Der Strafprozess gegen den ehemaligen CIA-Chef George Tenet und zehn Agenten wegen der Entführung des deutschen Staatsbürgers Khaled al Masri 2003 nach Afghanistan könnte scheitern, ehe er richtig begonnen hat. Ein halbes Jahr nach Einreichung der Klage durch al Masris Anwälte in den USA begann das Verfahren zum Abschluss dieser Woche vor dem Bezirksgericht in Alexandria (Virginia) mit einem Antrag der US-Regierung, die Verhandlung nicht zuzulassen. Richter T. S. Ellis III. sagte nach der Anhörung, er werde eine schriftliche Entscheidung an die Parteien senden.

Der Anwalt der Regierung, Joseph Sher, beruft sich auf ein Geheimhaltungsprivileg aus dem Kalten Krieg. Die Offenlegung von Details über Geheimdienstaktionen im Ausland gefährde die nationale Sicherheit.

Ben Wizner von der Amerikanischen Bürgerrechtsunion ACLU argumentiert, wenn das Gericht dem Antrag nachgebe, bedeute das „eine breite Immunität der Regierung selbst für die ungeheuerlichsten Handlungen“. Die ACLU vertritt al Masri vor Gericht, da dessen deutscher Anwalt Manfred Gnjidic keine Zulassung in den USA besitzt.

Es ist die erste Klage überhaupt gegen die US-Praxis der „Rendition“, der Verschleppung Verdächtiger ins Ausland im Kampf gegen den Terror. Für die ACLU, die in rund 6000 Prozessen pro Jahr die Bürgerrechte verteidigt, ist es ein Musterprozess wegen Freiheitsberaubung, Behinderung rechtsstaatlicher Verfahren und Folter. Die Berufung auf angeblich sensible Geheiminformationen nennt Wizner in diesem Fall abwegig. Über al Masris Schicksal sei international breit berichtet worden. Kanzlerin Angela Merkel hatte den Fall mit Außenministerin Condoleezza Rice besprochen. Eingeweihte US-Agenten hätten die irrtümliche Entführung wegen einer Namensverwechslung mit einem Al-Qaida-Mitglied unter der Hand längst zugegeben.

Der heute 42-jährige Khaled al Masri, ein Libanese mit deutschem Pass, war laut Anklage an Silvester 2003 von seinem Wohnort Ulm mit einem Bus nach Mazedonien aufgebrochen. An der Grenze zu Mazedonien hielt man ihn fest, weil sein Pass angeblich gefälscht sei. Nach 23 Tagen in einem abgedunkelten Hotelzimmer wurde er in ein Gefängnis für Terrorverdächtige nach Afghanistan gebracht und dort unter Misshandlungen wochenlang befragt: nach Bekannten in der Ulmer Moschee und im Multikulturellen Zentrum. Die Verhörer gaben sich als CIA-Agenten aus. Einer von ihnen, „Sam“, sprach fließend Deutsch. Inzwischen ermittelt die Staatsanwaltschaft München gegen einen Mitarbeiter des US-Konsulats Hamburg wegen des Verdachts, er sei „Sam“. Laut Klageschrift wusste die CIA nach zwei Monaten, dass sie den Falschen festhält. Ende Mai 2004 wurde al Masri nach Albanien geflogen und in den Bergen freigelassen.

US-Botschafter Daniel Coats soll Innenminister Otto Schily im Mai 2004 über den Irrtum informiert haben. Die beiden Regierungen schweigen dazu. Öffentlich bekannt wurde der Fall durch einen Bericht der „New York Times“ im Januar 2005, wichtige Informanten waren CIA-Mitarbeiter, die Bedenken gegen die Praxis der „Rendition“ haben.

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