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Verträge von Lissabon: Verfassungsrechler Papier kritisiert EU-Reformverträge

Nach Ansicht von Hans-Jürgen Papier hätte die Abgrenzung der Brüsseler Aufgaben in den EU-Verträgen präziser ausfallen können. Bei der Föderalismusreform appelliert der Präsident des Bundesverfassungsgerichts für mehr Länder-Autonomie.

Der Präsident des Bundesverfassungsgerichts, Hans-Jürgen Papier, hat die am Donnerstag unterzeichneten EU-Reformverträge begrüßt, aber auch kritisiert. Eine institutionelle Reform sei angesichts der EU-Erweiterung dringend geboten gewesen. "Man muss aber auch sagen, dass schon der so genannte Verfassungsvertrag nicht gerade überschaubar und leicht verständlich war. Insofern bringen die neuen Reformverträge keine Verschlechterung. Unser Grundgesetz schöpft nicht zuletzt daraus seine Akzeptanz und Integrationskraft, dass ihm die Bürger – jedenfalls alles in allem – klar und deutlich entnehmen können, was unsere staatlichen Grundnormen sind. Das ist bei den EU-Reformverträgen nicht in vergleichbarer Weise der Fall", sagte Papier dem "Tagesspiegel".

Er warnte vor einer weiteren Verlagerung von Zuständigkeiten nach Brüssel. "Ich hätte mir gewünscht, dass in den Reformverträgen die Abgrenzung dessen, was Brüssel tun soll und was bei den Mitgliedstaaten bleibt, präziser definiert worden wäre. Und man hätte auch darüber nachdenken können, ob bestehende Zuständigkeiten der EU nicht besser limitiert worden wären. Das ist nicht hinreichend geschehen." Geltendes Verfassungsrecht in Deutschland sei, dass die Übertragung von Souveränitätsrechten auf den Staatenverbund der Europäischen Union begrenzt sei. "Es muss eine substanzielle Gesetzgebungsmacht bei Bundestag und Bundesrat bleiben", forderte Papier.

Papier wünscht sich selbständigere Länder

Der Verfassungsgerichtspräsident schlägt vor, bei der Föderalismusreform den finanzpolitischen Handlungsspielraum der Länder auszuweiten und fordert eine striktere Schuldenbremse als die bestehende Regelung im Artikel 115 des Grundgesetzes. Diese habe sich als "stumpfes Schwert" erwiesen. "Die Verschuldung ist nicht nur ein finanzpolitisches Problem und eine Frage der Generationengerechtigkeit, sondern hängt letztlich auch eng mit der künftigen Handlungs- und Steuerungsfähigkeit des demokratischen Rechts- und Sozialstaats zusammen. Wie strikt eine Schuldenbremse konkret ausfällt, ist nicht Sache des Verfassungsgerichts, sondern ist dem Gesetzgeber vorbehalten und aufgegeben. Aber wirksamer als bisher muss sie sein", sagte Papier. Unterschiedliche Regelungen in Bund und Ländern seien dabei verfassungsrechtlich denkbar.

"Zu einem vitalen Bundesstaat gehört eine gewisse Selbständigkeit der Länder, auch in der Finanzpolitik", sagte Papier. "Eine Stärkung der Finanzautonomie der Länder wäre durchaus folgerichtig. Sie sind ja keine Verwaltungsprovinzen, sondern Staaten mit eigener Verfassungshoheit. Da wäre es konsequent, wenn man ihnen auch einen größeren finanzpolitischen Spielraum gäbe." Papier wollte sich nicht festlegen, wie das geschehen könnte, verwies aber auf die Debatte, in der es um eine alleinige Gesetzgebungszuständigkeit der Landtage bei den reinen Ländersteuern und Zuschlagsrechte auf Bundessteuern geht. Die Länder forderte Papier zu mehr Eigenständigkeit auf: Sie müssten "ihre Gestaltungsrechte stärker nutzen". (Tsp)

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