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Politik: Vertragen nach Vertrag

Arafat und Abbas legen ihren Streit bei. Der Palästinenser-Präsident behält den Befehl über die nationalen Sicherheitskräfte

Der nahöstliche Friedensprozess nach dem Verlauf der Road Map hat eine erste gefährliche Kurve genommen: Der palästinensische Ministerpräsident Mahmud Abbas wird seine Drohung, von seinem Amt zurückzutreten, nicht wahr machen. Auch seinen Rücktritt aus der Führung der regierenden Fatah-Bewegung dürfte er schon bald wieder rückgängig machen. Dies sind die wichtigsten Ergebnisse der „Sulha“, der Aussöhnung an der palästinensischen Führungsspitze. Ohne Abbas wäre der Friedensprozess zum Stillstand gekommen – oder gar ganz zusammengebrochen.

Bei ihrem vor allem auf massiven ägyptischen Druck zustande gekommenen Gespräch am Montagabend in Arafats weitgehend zerstörten Hauptquartier in Ramallah sprachen die beiden bemerkenswerterweise dagegen kaum von ihren Meinungsverschiedenheiten und Kompetenzstreitigkeiten. Wie gravierend sie sind, haben die letzten Tage gezeigt. Es gab heftigste Kritik an Abbas und dessen angeblich zu weicher Verhandlungsführung gegenüber Israel im Zentralkomitee der Fatah-Bewegung. Abbas zog sich daraufhin zurück. Er und Arafat brachen alle Kontakte zueinander ab. Abbas hatte unter anderem Arafats Einladung zum gemeinsamen Treffen mit dem russischen Außenminister Igor Iwanow abgelehnt, der sich überraschend deutlich gegen den von den USA geforderten und von der EU abgelehnten Boykott Arafats aussprach.

Arafat und Abbas schrieben die bisher gültige Aufteilung des Sicherheitsapparates neu fest. Demnach ist Abbas über seinen Sicherheitsminister Mohammed Dahlan für den mächtigen Abwehr-Geheimdienst, die zivile Polizei, den Bevölkerungsschutz und die Rettungsdienste zuständig. Die „Nationalen Sicherheitskräfte“, also die Ersatz-Armee, sowie die ebenfalls personalstarke „Allgemeine Sicherheit“ sind dagegen direkt Arafat unterstellt. Alle Organe müssen ihre Aktivitäten koordinieren, und im Falle von Differenzen werden Arafat und Abbas/Dahlan gemeinsam entscheiden. Der Nationale Sicherheitsrat unter Arafat wird ebenfalls weiter tagen und entscheiden, ohne dass er neue Kompetenzen erhält. Formell bleibt Arafat auch Vorsitzender der Verhandlungsdelegation mit Israel – obwohl sich in der Praxis Abbas mit dem israelischen Regierungschef Ariel Scharon trifft, um danach Arafat sofort Bericht zu erstatten. Abbas verpflichtete sich erneut, gegen den Boykott Arafats durch Israel und die USA anzukämpfen. Arafat wiederum konnte sich nicht damit durchsetzen, die Verhandlungsdelegation mit weiteren Vertrauensleuten zu bestücken: Einzig der allseits geschätzte neue Finanzminister Salam Fayyad kam hinzu.

Beim zweiten Anschlag in Israel seit Beginn der Waffenruhe vor zwei Wochen ist ein Israeli ums Leben gekommen und ein zweiter verletzt worden. Die Bluttat ereignete sich am Dienstag vor einem Restaurant in Tel Aviv. Der Täter, der auf seine Opfer einstach, stammte aus Ostjerusalem. Die Al-Aksa-Brigaden, der bewaffnete Arm von Arafats Fatah, bekannten sich zu dem Anschlag. Der palästinensische Informationsminister Nabil Amr sagte, die palästinensischen Behörden würden weiter alle Anstrengungen unternehmen, um solche Taten zu unterbinden: „Der Waffenstillstand geht weiter“.

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