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Wie man seine Spendebereitschaft erklären kann: Der Organspendeausweis.

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Vertrauen der Bürger erschüttert: Stiftungschef erwartet weitere Organspendeskandale

Nur dann ein Organ erhalten zu können, wenn man selbst bereit ist, zu spenden, diese Regelung lehnt der Chef Deutschen Stiftung Organtransplantation, Rainer Hess, ab. Die Ärzte bleiben auf freiwillige Spenden angewiesen. Dabei ist das Vertrauen der Bürger nach den Skandalen erschüttert. Und Hess erwartet weitere unerfreuliche Nachrichten.

Herr Hess, die Zahl der Organspenden ist im vergangenen Jahr dramatisch gesunken, sie hat den niedrigsten Stand seit 2002 erreicht. Ist das ein Wunder?

Nein, es ist die Folge der bekannt gewordenen Manipulationen auf den Wartelisten und in mehreren Transplantationszentren. Dadurch hat unser System der Organspende einen herben Vertrauensverlust erlitten, von dem wir uns nun langsam wieder erholen müssen. Was eine Riesenherausforderung darstellt.

Warum?

Aufgrund der intensiven Überprüfungen ist leider zu befürchten, dass demnächst noch der ein oder andere Fall bekannt werden wird.

Wie lässt sich der Vertrauensverlust bei den Spendern denn rückgängig machen?

Es sind ja Maßnahmen ergriffen worden. Zum einen wurden Strafverfahren eingeleitet. Zum andern prüfen die Kammern nun viel schärfer. Ich würde mir aber noch etwas wünschen: eine stärkere Qualitätssicherung der Behandlung, die der Transplantation vorausgeht. Das heißt, die Daten der Vorbehandlung müssen so dokumentiert sein, dass sie für die Wartelisten nicht manipulierbar sind.

Das ist bisher nicht so?

Leider nein. Wobei ich in meiner vorherigen Funktion als Vorsitzender des Bundesausschusses davon bereits etwas auf den Weg gebracht habe. Dialysen werden nun sektoren- und einrichtungsübergreifend qualitätsgesichert und mit Nierentransplantationen verkoppelt. Das ist ein Beispiel, wie man es auch bei anderen Verfahren machen müsste - um kontrollieren zu können, ob der Schweregrad der Erkrankung den späteren Platz auf der Warteliste tatsächlich rechtfertigt.

Mehr Fragen als Antworten. Manipulationen auf den Wartelisten und in mehreren Transplantationszentren haben viele verunsichert.
Mehr Fragen als Antworten. Manipulationen auf den Wartelisten und in mehreren Transplantationszentren haben viele verunsichert.

© dpa

Wenn Spenderorgane zur Mangelware werden: Muss sich dann nicht auch bei der Praxis der Organvergabe etwas ändern?

Durch das bisherige Verfahren der Vergabe nach Dringlichkeit und Erfolgsaussicht erhalten vor allem Schwerstkranke Organe. Die Lebenserwartung nach der Transplantation dagegen spielt eine kleinere Rolle. Um die Richtlinien zu ändern, wäre aber die Bundesärztekammer gefordert. Nur Mediziner könnten hier die Weichen anders stellen.

Die steigende Zahl der Patientenverfügungen wird zum weiteren Problem

Ist es denn richtig, dass allein die Bundesärztekammer die Richtlinien der Organvergabe bestimmt – und die Politik bei diesem Verteilungskampf nichts zu sagen hat?

Ich habe nicht den Eindruck, dass die Politik außen vor bleibt. In der Ständigen Kommission der Bundesärztekammer und im Stiftungsrat der DSO – auch wenn die DSO mit der Verteilung der Organe nichts zu tun hat – sitzen schon jetzt Vertreter des Bundesministeriums für Gesundheit und der Länder...

Als Gäste ohne Stimmrecht...

Es ist mein Auftrag, Bund und Länder als vollwertige Mitglieder in den Stiftungsrat zu integrieren. Und damit die politische Verantwortung deutlich zu machen.

Was halten Sie denn vom Ruf des SPD-Politikers Steinmeier nach einem Transplantationsbeauftragten des Bundestages?

Organempfänger sind Patienten, und für die gibt es bereits einen Patientenbeauftragten. Man könnte das Thema aber als Schwerpunkt in der Arbeit des Beauftragten hervorheben. Er müsste sich dann vor allem darum kümmern, der Bevölkerung die Notwendigkeit von Organspenden zu verdeutlichen. Schließlich benötigen die Menschen, trotz aller Manipulationen, weiterhin ganz dringend Organe

Wird es dazu kommen, dass nur noch diejenigen Organe erhalten, die sich vorher selber zum Spenden bereit erklärt haben?

Das ist bei uns bisher einhellig abgelehnt worden. Ich halte es auch für fragwürdig.

Weshalb?

Man darf das nicht zum Geschäft auf Gegenseitigkeit machen – schon weil manche gar nicht in der Lage sind, solche Geschäfte abzuschließen. Und es handelt sich um einen medizinischen Vorgang.

Es gibt immer mehr Menschen, die lebensverlängernde Maßnahmen im Krankenhaus per Verfügung ausschließen. Wird das zum Problem für das zukünftige Organaufkommen?

Es wird dann nicht zum Problem, wenn Menschen in der Patientenverfügung auch die Entscheidung zur Organspende regeln und der Organspende den Vorrang vor dem Abbruch der intensivmedizinischen Maßnahmen einräumen. Damit machen sie deutlich, dass sie zwar das eine nicht wollen, aber im Falle des Hirntods anderen dennoch mit ihren Organen helfen möchten.

Dann kommt es zum Interessenskonflikt.

Dazu kann es nicht kommen, wenn in der Patientenverfügung zu diesem Punkt eindeutige Angaben gemacht wurden.

Sie sind als Helfer in der Not zur DSO gewechselt – nachdem die Stiftung ebenfalls wegen Vorwürfen von Vetternwirtschaft ins Zwielicht geraten war. Wie kommen Sie mit der Umstrukturierung voran?

Zunächst werden wir die Satzung ändern. Bund und Länder werden integriert und damit vollwertige Mitglieder. Sie haben so die Chance, die innere Struktur der DSO mit zu überwachen – und damit auch, wenn es Vetternwirtschaft gegeben haben sollte, zu deren Verhinderung beizutragen. Wobei dieser Vorwurf per Gutachten aber etwas entkräftet wurde. Im Großen und Ganzen arbeitet die DSO recht erfolgreich. Was geändert werden muss, ist das Verhältnis zwischen der Hauptverwaltung und den sieben Regionen. Diese Zusammenarbeit bedarf dringend einer Straffung und der Festlegung auf gemeinsame Standards.

Rainer Hess (72) ist Chef der Deutschen Stiftung Organtransplantation. Als Chef des Gemeinsamen Bundesausschusses war er zuvor der mächtigste Mann im Gesundheitswesen.

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