zum Hauptinhalt

Vertrauensfrage: SPD-Abgeordnete wollen klagen

Am Tag vor der Abstimmung über die Vertrauensfrage ist die Regierungskoalition gespalten. Drei Abgeordnete wollen wegen des Vorgehens von Bundeskanzler Gerhard Schröder das Verfassungsgericht anrufen. Der Kanzler informiert heute die Parteispitzen von SPD und Grünen über seine Motive. (30.06.2005, 11:13 Uhr)

Berlin - Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) kann mit der gewünschten Niederlage bei der Vertrauensfrage an diesem Freitag rechnen, muss sich aber auf Klagen gegen Neuwahlen einstellen. Nach dem Grünen-Bundestagsabgeordneten Werner Schulz kündigte am Donnerstag die sächsische SPD-Parlamentarierin Jelena Hoffmann in der Chemnitzer «Freien Presse» den Gang vor das Bundesverfassungsgericht an. Die von SPD-Chef Franz Müntefering angeregte Enthaltung bei der Abstimmung über die Vertrauensfrage sei schizophren, sagte sie.

Schröder wollte am Donnerstag die Spitzen von SPD und Grünen über seine Motive für den Wunsch nach einer vorgezogenen Bundestagswahl informieren. Im Koalitionsausschuss soll auch über das geplante Abstimmungsverhalten gesprochen werden. Seinem Kabinett hatte Schröder am Mittwoch den Schritt damit begründet, dass es nach der Wahlniederlage in Nordrhein-Westfalen keine verlässliche Mehrheit in den eigenen Reihen für den weiteren Reformkurs gebe. Am Freitag will der Kanzler seine Beweggründe dem Parlament und damit der breiten Öffentlichkeit darlegen.

Verliert der Kanzler wie erwartet die Vertrauensfrage, will er am gleichen Tag Bundespräsident Horst Köhler aufsuchen und um Auflösung des Parlaments bitten. Schröders Ziel ist, dass der Bundespräsident damit den Weg für eine Neuwahl am 18. September freimacht. Der Bundespräsident muss binnen 21 Tagen über die Auflösung entscheiden.

Es gilt als sicher, dass die Mehrheit des Parlamentes mit den Stimmen der Opposition Schröder das Vertrauen versagen wird. Notwendig ist, dass sich von den 304 Koalitionsstimmen mindestens vier enthalten oder mit Nein stimmen. Im Parlament gibt es 601 Abgeordnete, die Kanzlermehrheit beträgt 301 Stimmen.

Das gesamte Kabinett will sich enthalten. In der SPD-Fraktion wird fest damit gerechnet, dass sich eine große Mehrheit der 249 SPD- Abgeordneten enthalten und damit Münteferings Empfehlung folgen wird. Bei den Grünen wollen sich etwa 20 Prozent der 55 Abgeordneten enthalten, die anderen wollen für den Kanzler votieren.

Bundestagspräsident Wolfgang Thierse (SPD) plädierte unterdessen für ein Selbstauflösungsrecht des Parlaments. «Wir sollten eine solche Grundgesetzänderung vereinbaren, sobald die Zeiten ruhiger geworden sind», sagte er der «Berliner Zeitung» (Donnerstag). Denkbar sei die Auflösung des Bundestags mit Zwei-Drittel- oder mit Drei- Viertel-Mehrheit. Für die aktuelle Situation sei die Verfassungsänderung aber keine Option.

Alt-Bundespräsident Richard von Weizsäcker sprach sich grundsätzlich gegen eine Änderung der Verfassung aus. Er sagte der «Bild»-Zeitung: «Ich halte nichts von einer Änderung des Grundgesetzes, durch die Neuwahlen einfacher oder schneller erreicht werden könnten. Die Erfahrungen der Weimarer Republik haben uns gelehrt, wohin das führen kann.»

Eine deutliche Mehrheit der Bundesbürger (71 Prozent) ist für Neuwahlen. Nur 24 Prozent sind dagegen, ergab eine forsa-Umfrage im Auftrag des Nachrichtensenders n-tv. (tso)

Zur Startseite