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© Reuters

Vertriebenen-Präsidentin: Steinbachs Schachzug

Ihr Plan stößt in der FDP auf Skepsis – Lob kommt dagegen von der CSU: Die einen wollen Erika Steinbachs Vorstoß als Entgegenkommen und „noble Geste“ verstanden sehen, die andern sprechen rundheraus von einem Erpressungsversuch.

Berlin - Die einen wollen Erika Steinbachs Vorstoß als Entgegenkommen und „noble Geste“ verstanden sehen, die andern sprechen rundheraus von einem Erpressungsversuch. Klar ist bislang nur: Das Angebot der Vertriebenenpräsidentin, gegen bestimmte Bedingungen auf ihren Sitz im Stiftungsrat des geplanten Vertriebenenzentrums zu verzichten, setzt die FDP und ihren Vorsitzenden Guido Westerwelle unter Zugzwang. Als Gegenleistung für ihren Rückzug nämlich möchte Steinbach den Einfluss ihres Verbandes in der Stiftung deutlich ausweiten. Sie fordert unter anderem mehr Sitze, den Verzicht der Regierung auf ihr bisheriges Mitspracherecht bei der Besetzung des Rates und die Abkopplung der Stiftung vom Deutschen Historischen Museum.

In der Sprache der Politiker nennt man solche Kompromissangebote „vergiftet“. Entsprechend vorsichtig fiel die Reaktion des obersten Liberalen aus. Westerwelle, der sich mit Vehemenz gegen Steinbachs Sitz und Stimme im Stiftungsrat gestellt und dies mit außenpolitischer Rücksichtnahme auf die Gefühle der polnischen Nachbarn begründet hatte, wollte die Offerte erst einmal lieber gar nicht bewerten. Man werde sie prüfen, sagte er lediglich – und zwar „fair, sachlich und konstruktiv“. Wenig später erteilte sein Staatsminister Werner Hoyer dem Vorstoß eine erste Absage.

Doch die Union drängt, vor allem ihr bayerischer Teil. CSU-General Alexander Dobrindt sagte, er könne Westerwelle „nur raten“, auf die neue Offerte „nicht wieder mit Blockade zu antworten“. Der innenpolitische Sprecher der Unionsfraktion, Hans-Peter Uhl (CSU), wertete Steinbachs Vorstoß als „sehr positiven Befreiungsakt“. Westerwelle und die FDP wären „gut beraten, die ausgestreckte Hand zu ergreifen“. Und der CSU-Europapolitiker Bernd Posselt bezeichnete die Offerte als „letzte Chance“ für Westerwelle, um „aus der selbstgegrabenen Sackgasse herauszukommen“.

Gleichzeitig trieben die CSU-Politiker die Preise hoch. Sowohl Posselt als auch Uhl regten im Gespräch mit dieser Zeitung an, die Sitze des Vertriebenenverbandes im 13-köpfigen Stiftungsrat auf sechs zu verdoppeln. Es gehe schließlich darum, dass die Vertriebenen das Zentrum prägten, sagte Posselt, der auch Sprecher der Sudetendeutschen Volksgruppe ist. Uhl nannte die Aufstockung der Sitze „eine gute Idee“. Da die Vertreibungen sehr unterschiedlich abgelaufen seien, sollten die unterschiedlichen Schicksale auch im Stiftungsrat repräsentiert sein.

Beide Politiker stellten sich auch hinter Steinbachs Forderung, dem Bund keinen Einfluss auf die Stiftungsratsbesetzung mehr zu gewähren. „Es wäre ein Ausdruck der Achtung vor den 15 Millionen deutschen Vertriebenen, wenn die sozialistische Bevormundung durch die Bundesregierung endlich beseitigt würde“, sagte Uhl. Posselt forderte, das Bestellungsrecht der Bundesregierung per Gesetzesänderung zu beseitigen. „Das wäre die sauberste Lösung.“ Wenn sich die Regierung dagegen auf ein Vetorecht versteife, könne es sein, dass sich die Vertriebenen „juristisch dagegen wehren.“

SPD, Grüne und Linkspartei warnten dagegen eindringlich davor, auf Steinbachs Vorstoß einzugehen.Bundestagsvizepräsident Wolfgang Thierse (SPD) sprach von einem „erpresserischen Versuch, das Anliegen der Stiftung“ zu verändern. Sinn des Projektes sei das Gedenken an die Leiden und Opfer von Flucht und Vertreibungen und die Versöhnung mit den osteuropäischen Nachbarn, sagte er dem Tagesspiegel. Dieses Anliegen würde zerstört, wenn sich die Koalition auf Steinbachs Bedingungen einlasse. „Politisch sinnvoll ist die Stiftung nur als Versöhnungsprojekt“, sagte Thierse und rief Kanzlerin Angela Merkel (CDU) dazu auf, „dieses Versöhnungsanliegen aktiv gegen Frau Steinbach zu verteidigen, gerade auch im Verhältnis zu unseren polnischen Nachbarn“. Ähnlich äußerte sich auch Grünen-Chefin Claudia Roth.

Brandenburgs Ministerpräsident Matthias Platzeck (SPD) wies Steinbachs Forderungen ebenfalls als inakzeptabel zurück. Als Ministerpräsident des einzigen deutschen Bundeslandes, das die Pflege guter Beziehungen mit dem Nachbarn Polen in Verfassungsrang erhoben habe, sehe er die Erklärung der Vertriebenenpräsidentin „mit großer Besorgnis“. Insbesondere die Anbindung der Stiftung an das Deutsche Historische Museum müsse beibehalten werden, da sie „ein wichtiges Unterpfand für die Akzeptanz des Projekts auch in Polen“ sei.

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