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© ddp

Vertriebenenpräsidentin: Erika Steinbach hat den Bogen überspannt

Drohungen, Ultimaten und publikumswirksame Auftritte: Vertriebenenfunktionärin Erika Steinbach hat den Bogen überspannt, sagen auch immer mehr Weggefährten ihres Erinnerungsprojekts.

Berlin - Eines hat Erika Steinbach erreicht: Das von der Vertriebenenfunktionärin seit Jahren vorangetriebene Projekt einer Gedenkstätte für Flucht und Vertreibung ist in aller Munde, seitdem sie mit allerlei Drohungen, Ultimaten und publikumswirksamen Auftritten ihre eigene Personalie im Stiftungsrat der Gedenkstätte zum Politikum macht. Steinbach hat damit in der Öffentlichkeit den Eindruck vermittelt, Deutschland würde dem Schicksal der Vertriebenen nur dann adäquat gerecht werden, solange sie persönlich, nicht nur ihr Verband an der Gedenkstätte beteiligt werde. Unzählige Unterstützer, Betroffene und Parteigänger bombardieren deshalb seit Wochen per Brief, E-Mail, Fax und Telefon die Anlaufstellen von FDP-Außenminister Guido Westerwelle, der Kanzlerin, aber auch vieler Medien.

Doch jetzt gehen mehr und mehr Unterstützer des Projekts auf Distanz. „Viele Vertriebene verstehen den Streit nicht mehr“, sagt Wolfgang Nitschke, Vorsitzender des Adalbertus- Werks, des Bildungswerks der Danziger Katholiken. Nitschke wirft Steinbach vor, innenpolitisch zu sehr auf Konfrontationskurs zu gehen. „Sie will ein Steinbach-Gedächtnis- Museum, keine ordentliche Gedenkstätte“, sagt Nitschke. Worüber sich Nitschke und andere dem Gedenkprojekt positiv aufgeschlossene Persönlichkeiten ärgern, ist Steinbachs als Versöhnungsgeste getarntes Rückzugsangebot vom 5. Januar. Steinbach hatte darin einen Verzicht auf ihren Sitz im Stiftungsrat der Vertriebenengedenkstätte von einer Revision des gesetzlichen Rahmens der Stiftung abhängig gemacht. Demnach soll nicht nur die Zahl der Sitze für ihren Verband deutlich erhöht werden, sondern die Stiftung aus dem Dach des Deutschen Historischen Museums (DHM) herausgelöst werden. Außerdem will Steinbach keinen Kabinettsvorbehalt bei der Berufung von Mitgliedern des Stiftungsrat mehr hinnehmen.

„Diese Vorschläge sind nicht durchdacht“, sagt auch Adolf Ullmann, Bundesvorsitzender der katholischen Ackermann-Gemeinde, die sich für die deutsch- tschechische Aussöhnung einsetzt. Ullmann sieht ein zentrales Element der Gedenkstätte in Gefahr: Der Staat würde aus seiner Mitverantwortung entlassen, das Vertriebenengedenken zur Angelegenheit des Bund des Vertriebenen (BdV). Die Vertriebenen seien aber eben nicht nur Steinbach und der BdV, sagt Ullmann. Das Gedenken an Vertreibungen sei eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Ullmann, der „voll und ganz“ hinter der Idee einer Vertriebenengedenkstätte steht, spricht von einer „Trotzreaktion“ Steinbachs. „Wenn es ihr wirklich um die Sache geht – und eigentlich dachte ich immer, ihr sei das wichtiger als ihre Person –, dann sollte sie auch ein Opfer bringen“, fordert er. Auch Nitschke hofft, dass Steinbach „endlich zur Vernunft kommt“.

Das hofft wohl auch ein Mann, der sich seit Wochen auffallend zu dem Thema zurückhält, obwohl er am Kabinettstisch dafür zuständig ist: Kulturstaatsminister Bernd Neumann (CDU). Vertraute berichten, der erfahrene Vermittler arbeite mit Hochdruck an einer Kompromisslösung. Neumann ist sich offenbar mit dem DHM einig, die Gedenkstätte nicht aus dem Rahmen des Museums herauszureißen; auch der Kabinettsvorbehalt für Stiftungsmitglieder sei „nicht verhandelbar“. Bleibt die Zahl der vom BdV Berufenen im Stiftungsrat. Ob sich Steinbach mit einer deutlichen Aufstockung allein zufrieden gibt, ließ ihr Verband am Wochenende offen. „Wir erwarten Respekt vor unserer Arbeit“, hieß es lediglich in einer Erklärung.

 Sebastian Bickerich

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