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Vertriebenentreffen: Nicht allen geht’s nur um die schlesische Wurst

Beim Deutschlandtreffen in Hannover warnt Wulff die Vertriebenen vor Unterwanderung von rechts.

„Ich warte noch immer auf die ausgestreckte Hand aus Polen.“ Beifall ist dem Bundesvorsitzenden der Landsmannschaft Schlesien, Rudi Pawelka gewiss, wenn er auf dem Deutschlandtreffen der Schlesier am Wochenende in Hannover polnische Politiker kritisiert. Von Anbeginn an will er sich um Verständigung mit Polen bemüht haben, „doch einseitige Bemühungen können nicht erfolgreich sein“. Namen nennt er nicht, doch die Botschaft ist eindeutig: Die aktuelle konservative Regierung ist nicht besser als einst die Kommunisten. Die deutsche Minderheit in Schlesien werde unterdrückt, die Geschichte Schlesiens in polnischen Museen falsch dargestellt, rückkehrwillige Deutsche dürften nur mit einem polnischen Partner zusammen den ehemaligen Familienbesitz erwerben. Dabei ist Pawelka gar nicht am Erwerb interessiert, sondern betreibt als Mitglied im Vorstand der „Preußischen Treuhand“ die Rückgabe des früheren Besitzes deutscher Vertriebener in Polen und Tschechien vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg.

Nach Kriegsende mussten 3,2 Millionen Deutsche Schlesien verlassen. „Sie haben sich bereits 1950 zum Verzicht auf Rache und Vergeltung bekannt. Das zeichnet die Schlesier aus“, sagte Niedersachsens Innenminister Uwe Schünemann (CDU) bei der Begrüßung der Gäste. Politische Themen klammerte er bewusst aus. Ganz anders der Vizechef des Vertriebenenverbandes, Peter Großpietsch: „Die deutschen Ostgebiete sind Polen nur zur Verwaltung übertragen worden.“

Trotz solcher Forderungen sprach Niedersachsens Ministerpräsident Christian Wulff (CDU) zu den Schlesiern. Er hatte seine Unterstützung des Treffens davon abhängig gemacht, dass rechtsextreme Aktivitäten auf dem Deutschlandtreffen verhindert werden. Auf dem Treffen warnte er die Vertriebenen vor Unterwanderung: „Es gibt rechtsextreme Verlage und einzelne Personen, die Ihre Interessen in den Schmutz ziehen.“ Tatsächlich aber konnte man an den Ständen neben Heimatbüchern auch einschlägige Schriften von Autoren wie dem Holocaust-Leugner David Irving kaufen, die das NS-System verherrlichen. Dazu gab es ein reichhaltiges Musikangebot – von Volksmusik à la Heino bis hin zu CDs mit Titeln wie „Es war ein Edelweiß“ von den „Veteranen der Waffen-SS vom Soldatenchor Minden“.

Die meisten der nach Veranstalterangaben 50 000 Gäste interessierten sich mehr für schlesische Würste und für das Wiedersehen mit Bewohnern aus der alten Heimat. Dabei kam man schnell auf die Eltern und Großeltern zu sprechen – die Mehrzahl der Besucher in Hannover hat Schlesien als Kind verlassen und kennt den Geburtsort vor allem aus den Erzählungen der Vorfahren. „Die Erlebnisgeneration tritt ab und kann die ehrenamtlich geführten schlesischen Heimatstuben nicht mehr betreuen. Wir müssen uns darum kümmern“, meinte der niedersächsische CDU-Abgeordnete Rudolf Götz.

Klaus Schneider, Vorsitzender des Fördervereins des 2006 gegründeten Schlesischen Museums in Deutschlands östlichster Stadt Görlitz, sagte: „Das Interesse an ihrer deutschen Geschichte ist im heutigen polnischen Schlesien groß, gerade bei jungen Polen. Vor allem in den großen Städten wird die deutsche Vergangenheit in den Museen ganz stark herausgestellt.“ Dass die Annäherung dennoch kompliziert ist, bekam ein Mitarbeiter seines Museums zu spüren: Vor erbosten Schlesiern musste er sich rechtfertigen, wie er vom polnischen Zgorzelec sprechen könne – nur die Bezeichnung Görlitz sei erlaubt.

Joachim Göres[Hannover]

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