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Wenn Hoffnungen platzen. Philipp Rösler versucht immer wieder, Themen zu setzen. Doch oft muss er seine Position nach kurzer Zeit revidieren.

© dpa

Verwirrende Richtungswechsel: Rösler schert beim Betreuungsgeld aus

Immer wieder bringt FDP-Chef Rösler die Koalition durcheinander – und spielt dann den Unschuldigen.

Von Antje Sirleschtov

War was? Wer Philipp Rösler an diesem Montag in der Parteizentrale der FDP sah, der konnte nicht ahnen, dass ausgerechnet dieser Herr im dunklen Anzug tags zuvor mit einem Interview einmal mehr für heftiges Kopfschütteln in der schwarz-gelben Regierungskoalition gesorgt hatte. So ziemlich gegen jedes Vorhaben seiner eigenen Regierungsmannschaft war Rösler darin zufelde gezogen, hatte gegen die Förderung der erneuerbaren Energie gewettert, die Abschaffung der Praxisgebühr gefordert und vor allem: Der Vorsitzende der FDP hat mal wieder einen Krach über die Einführung des Betreuungsgeldes für Kinder ohne Kita vom Zaun gebrochen. Und nun steht er im Thomas-Dehler-Haus, setzt eine Unschuldsmiene auf und sagt, er habe doch nichts anderes getan, als die Position seiner Partei wiedergegeben. „Und das ist meine Aufgabe als Parteivorsitzender.“

Allein: Der FDP-Vorsitzende hat in den zurückliegenden Monaten seine Position so oft verändert, dass man schon gar nicht mehr weiß, was seine Partei eigentlich erreichen will. Dieser Umstand erzürnt nicht nur die Regierungspartner in der Union. Die Sozialleistung wird langsam auch zur Gefahr für die Partei selbst. Denn aus der einstigen Chance, sich damit brüsten zu können, die unwillkommene Sozialleistung verhindert zu haben, ist nun ein Kuhhandel geworden, an dem Röslers FDP selbst beteiligt ist und der ihre eigenen Wähler erzürnt.

Begonnen hat alles vor einem Jahr. Es war Ende Oktober, Röslers FDP musste gewärtigen, dass mit dem Wechsel an der Führungsspitze allein nichts gewonnen war und neben vielen Querelen auch noch bei den Abgeordnetenhauswahlen in Berlin mit 1,8 Prozent ihr bisher miesestes Wahlergebnis hinnehmen. Rösler versuchte, seiner FDP auf einer zweitägigen Führungsklausur eine neue Richtung und neuen Schwung zu geben. Verabredet wurde an jenem 23. und 24. Oktober unter anderem ein historischer Kursschwenk: weg von der Steuersenkung hin zur Haushaltskonsolidierung. Die FDP wollte fortan jede staatliche Ausgabe auf ihre Sinnhaftigkeit untersuchen und darauf drängen, die Kosten dafür an anderer Stelle einzusparen, damit die Staatsschulden baldmöglichst auf null gesenkt werden können. Kurz danach allerdings, am 7. November 2011, stimmt der Vorsitzende Rösler beim Treffen der Koalitionsspitzen für die Einführung des von der CSU geforderten Betreuungsgeldes. Zwar erhielt er dafür die Zusage, die Bedingungen des Facharbeiterzuzugs nach Deutschland würden verbessert. Das Versprechen, die absehbaren Milliardenbeträge für das Betreuungsgeld würden an anderer Stelle eingespart, bekam er nicht. Vielmehr: Rösler hatte das, wie sich Teilnehmer erinnern, auch gar nicht gefordert. Eine wichtige Chance, die Partei als Sachwalter ordentlicher Staatsfinanzen zu etablieren, war vertan, in Röslers Umgebung herrschte Verärgerung und Enttäuschung. Man munkelte, Rösler wanke inhaltlich und stehe nicht zum neuen Kurs seiner Partei.

Wie wird sich der FDP-Chef beim nächsten Koalitionsgipfel entscheiden?

Zumal sich der FDP-Vorsitzende ein halbes Jahr später beim Treffen der Koalitionsspitzen Anfang Juni erneut zum Betreuungsgeld bekannte, und zwar wiederum ohne den wichtigen Zusatz, dass das Gesetz nur durch den Bundestag kommen werde, wenn das Geld an anderer Stelle eingespart wird. FDP-Fraktionschef Rainer Brüderle winkt seither nur noch ab, wenn er auf das Thema angesprochen wird und weist lediglich darauf hin, dass die FDP koalitionstreu sei.

Ende September nun, CDU und CSU hatten sich mittlerweile auf einen Kompromiss zur Ausgestaltung des Betreuungsgeldes geeinigt, zog Philipp Rösler die Reißleine, verweigerte sich dem Kompromiss der Union und kündigte seinerseits an, ein eigenes Konzept für die Sozialleistung vorlegen zu wollen. Wohlgemerkt, für eine Sozialleistung, die seine Partei eigentlich überhaupt nicht einführen will und die auch nicht in ein liberales Familien- und Betreuungsbild passt. Nachfragen, warum Rösler für Politik, die nicht seine ist, Konzepte erstellen und diese Politik damit zu seiner eigenen macht, wurden in der FDP mit Kopfschütteln beantwortet.

Jetzt, drei Wochen später, gilt auch das nicht mehr. Philipp Rösler beruft sich nun auf den Koalitionsvertrag von 2009, in dem steht, dass alle Zusatzausgaben einer Ausgabenkontrolle unterliegen und außerdem Kleinverdienern beim Anlegen eines Bildungssparkontos geholfen werden soll. Der FDP-Chef will nun, dass die Kosten für das Betreuungsgeld anderswo im Haushalt eingespart werden und eine Bildungskomponente einführen. An ein eigenes Konzept, das er Ende September angekündigt hatte, will er sich nicht mehr erinnern. Man ahnt, dass der FDP-Chef auch beim nächsten Koalitionsgipfel dem Betreuungsgeld zustimmen wird.

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