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Oder ihr macht ohne mich weiter. Frauke Petry will sich in der AfD nicht alles gefallen lassen.

© AFP

Verzicht auf Spitzenkandidatur: Frauke Petrys Nein könnte die AfD entscheidend schwächen

Vor dem Parteitag verzichtet Frauke Petry auf die Spitzenkandidatur. Das könnte für die AfD im Wahlkampf fatale Folgen haben. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Armin Lehmann

Politische Parteien sind immer auch Orte der Intrigen und der Machtspiele, die die eigenen Amtsträger zutiefst verletzen können. Die etablierten Parteien sind da nicht anders als politische Neulinge. Es gibt allerdings einen sehr entscheidenden Unterschied: Alle Parteien in Deutschland, die dauerhaft überlebt haben, können auf einen Grundkonsens zurückgreifen, auf eine Art Markenkern. Auf den können sich im Notfall alle besinnen, selbst wenn er nicht immer gut sichtbar ist. Die Alternative für Deutschland (AfD) dagegen ist gewachsen auf Protest, auf einer Dagegenhaltung, auf Ängsten und schlimmen, auch menschenverachtenden Parolen, die manche Anhänger zur Wiederbelebung der eigenen Identität brauchten.

Ein solcher Markenkern taugt aber nicht, um langfristig zu überleben. Protest nutzt sich ab, Parolen werden durchschaut, Wachstum ist kaum dauerhaft möglich, wenn sich nur ein bestimmter Anteil der Bevölkerung auf den Inhalt einlassen kann. Die AfD steht deshalb derzeit aus zwei Gründen so schlecht da: Sie hat Intrigen und Machtspiele auf die Spitze getrieben; und sie hat den Eindruck entstehen lassen, sie müsste sich nun grundsätzlich für den einen oder anderen Weg entscheiden.

Letzteres mag zwar an sich und dauerhaft richtig, ja geradezu notwendig sein. Aber dieser nur taktisch ausgetragene Richtungsstreit geht einher mit der Demontage einzelner Personen. Der Verzicht von Frauke Petry auf einen Platz in einem Spitzenteam zur Bundestagswahl, verknüpft mit dem gleichzeitigen Appell, ihrer „realpolitischen“ Richtung zu folgen, macht das ganze Dilemma deutlich. Es könnte sein, dass dieser Streit die Partei unter die fünf Prozent drückt, die notwendig wären, um in den Bundestag einzuziehen. Ein Ziel, das der Partei und der Öffentlichkeit seit langer Zeit schon als selbstverständlich oder unabwendbar erschien.

Kann Petrys Erpressungsversuch der eigenen Partei funktionieren?

Nun steht für die AfD alles auf dem Spiel, weil sie noch nie darüber nachgedacht hat, was im Notfall ihr kleinster gemeinsamer Nenner sein könnte. Der Parteivordenker und Publizist Alexander Gauland hat es aus taktischen Gründen zugelassen und bewusst hintertrieben, dass sich die Partei rassistischen, rechtsextremen und nationalistischen Gruppen öffnet, zu denen unter anderen der thüringische AfD-Chef Björn Höcke gehört. Die Bundessprecherin Frauke Petry und ihr Ehemann, der Europaabgeordnete und NRW-Landeschef Marcus Pretzell, haben beschlossen, dass man nur langfristig wachsen könne, wenn man diesen Teil der AfD wieder loswird. Doch dahinter steckt wie bei Gauland weniger Überzeugung als Kalkül.

Frauke Petry, die Gaulands rechte Truppen immer mehr isoliert haben, spielt mit ihrem Rückzug ihren letzten Trumpf. Aber kann Machterhalt durch Machtverzicht bei gleichzeitiger Erpressung der eigenen Partei funktionieren? Folgt die Partei auf ihrem Parteitag ihrer Chefin nicht und lässt den Antrag auf einen „realpolitischen“ Kurs durchfallen, wird sie zurücktreten müssen. Wer erlebt hat, dass Petry auf den vielen Veranstaltungen der AfD nach wie vor bejubelt wird wie eine Ikone, weiß wiederum, was das bedeuten würde: Viele treue Anhänger werden die AfD dann nicht mehr wählen.

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