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Video: Bröckelnder Rückhalt

Während die Armee die syrische Hauptstadt wieder unter ihrer Kontrolle zu haben scheint, toben in Aleppo im Norden weiter schwere Gefechte. Der syrische Premier wendet sich von Assad ab und läuft über. Das Militär aber bleibt die stärkste Kraft. Dennoch sehen die USA die Macht des Assad-Regimes zunehmend schwinden.

Militärisch ist das syrische Regime auch 16 Monate nach Beginn des Aufstandes den Rebellen noch immer überlegen. Doch immer häufiger muss Präsident Baschar al Assad mittlerweile militärische und politische Schläge einstecken, die den langsamen Verfall seines Regimes und eine zunehmende Isolierung des engsten Machtzirkels demonstrieren. Mit dem erst vor zwei Monaten ernannten Ministerpräsidenten Riad Hidschab hat sich am Montag der bisher ranghöchste Politiker der Opposition angeschlossen. Mit ihm sollen drei weitere Minister nach Jordanien geflohen sein. Ein Bombenanschlag auf den Sitz des syrischen Staatsfernsehens in Damaskus, bei dem einige Mitarbeiter verletzt wurden, zielte am Montag ebenfalls ins Zentrum der Macht. Die andauernde militärische Überlegenheit des Regimes ist allerdings davon noch nicht berührt.

„Ich gebe hiermit bekannt, dass ich mich vom mörderischen und terroristischen Regime abgewandt und mich der Revolution der Freiheit und Würde angeschlossen habe“, hieß es in einer Erklärung, die Hidschabs Sprecher Mohammed al Otri am Montag im arabischen Fernsehsender Al Dschasira verlas. Al Otris Erklärung zufolge habe der Politiker seine Flucht „seit mehr als zwei Monaten geplant“. Bewerkstelligt wurde sie mit Hilfe der aufständischen Freien Syrischen Armee (FSA).

Ein Vertreter des oppositionellen Syrischen Nationalrats sagte der Nachrichtenagentur AFP, Hidschab habe sich mit Mitgliedern seiner Familie, zwei Ministern und drei Armeeoffizieren abgesetzt. Das syrische Staatsfernsehen hatte dagegen berichtet, Hidschab sei entlassen worden. Demnach soll sein Stellvertreter Omar Ghalawandschi vorübergehend die Amtsgeschäfte übernehmen.

Der Sunnit Hidschab war erst nach den Parlamentswahlen vom Mai zum Ministerpräsidenten ernannt worden. Davor hatte der 46-Jährige sein Leben lang treu dem Assad-Regime dient. Er bekleidete hohe Funktionen in der herrschenden Baath-Partei. Als im Frühjahr 2011 die Proteste gegen Assad begannen, war er Gouverneur der Mittelmeerprovinz Latakia, aus der die Assad-Familie stammt. Warum er vor zwei Monaten noch den Posten des Ministerpräsidenten annahm, wird Hidschab vielleicht bei seinem ersten öffentlichen Auftritt nach seiner Flucht erklären. Nach Angaben seines Sprechers wolle Hidschab der Welt auch mitteilen, dass „wir gezwungen wurden, auf Seiten des Regimes zu stehen und ein Schwert in unserem Nacken spürten.“

Fotostrecke: Blutiger Aufstand gegen Assad

Dabei hatte es noch vor wenigen Tagen so ausgesehen, als ob sich die Regierung von Präsident Baschar Assad von dem Anschlag auf seinen inneren Machtzirkel vor knapp drei Wochen erholt hatte. Damals waren bei einem Bombenanschlag auf den Krisenstab unter anderem Verteidigungsminister Daud Radscheha und der Schwager Assads, Asef Schawkat, getötet worden. Experten vermuten, dass es nur Eingeweihten gelungen sein konnte, den Anschlag auf diesen illustren Kreis zu verüben.

Foto: Reuters
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© dpa

Bisher hatten sich vor allem Soldaten und insgesamt etwa 31 Generäle sowie zahlreiche syrische Diplomaten vom Regime abgewandt und das Land verlassen. Auf militärischer Seite war Oberst Riad al Asaad einer der wichtigsten, der nach seiner Flucht in die Türkei im Juli 2011 die Leitung der „Freien Armee Syriens“ übernahm. Der mit Baschar zusammen aufgewachsene General Manaf Tlass, Sohn des langjährigen Verteidigungsministers, floh im Juli 2012 und bietet sich seither als Mann für den Übergang an, was allerdings der Dachverband der Opposition im Ausland, der SNC, strikt ablehnt. Politisch war bisher der stellvertretende Ölminister Abdo Hussameddin der ranghöchste Politiker, der sich der Opposition anschloss. Daneben wandten sich mehrere Abgeordnete und Diplomaten, die ohnehin im Ausland auf Posten waren, öffentlich vom Regime ab.

Es sind allerdings noch immer erstaunlich wenige, was darauf hindeutet, dass viele Syrer noch nicht an einen militärischen Sieg der Opposition glauben. Oder sie halten aus Angst still, wie es der geflohene Ministerpräsident anzudeuten scheint. Der Sunnit gehörte trotz seines hohen Postens nicht zu den engsten Vertrauten Assads. Dessen innerster, alawitischer Machtzirkel scheint intakt – und in dessen Händen liegen die Armee und ihre Elitetruppen, die den Rebellen noch immer überlegen sind.

Die werden zwar nach eigenen Angaben aus den Golfstaaten Katar und Saudi-Arabien mit konventionellen Waffen beliefert. „Es gibt bestimmte Länder, die leichte und konventionelle Waffen bereitstellen“, sagte Bassma Kodmani, eine Sprecherin des oppositionellen Syrischen Nationalrates, am Montag dem französischen Sender Europe 1. Neben Katar und Saudi-Arabien kämen Waffen „vielleicht ein bisschen“ auch aus Libyen. Andere Länder würden Geld für Waffenkäufe auf dem Schwarzmarkt geben. Allerdings fehlten den Aufständischen dringend Waffen, mittels derer auch Luftangriffe der Armee abgewehrt werden können, klagte Kodmani. mit

(mit AFP/dpa)

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