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Politik: Viel Ärger und wenig Geld

Schon Rot-Grün wollte das Ehegattensplitting reformieren – aber es fehlte die Aussicht auf Erfolg

Von Antje Sirleschtov

Für manche ist es ein fest eingeplanter Einkommensbestandteil, für andere das Relikt einer rückständigen Familienpolitik, und in einigen Landstrichen kennt man es so gut wie gar nicht. Die Rede ist vom Ehegattensplitting, dessen Zukunft seit gut einer Woche in der Union und der SPD kontrovers diskutiert wird. Derzeitiger Höhepunkt der Debatte ist das Bekenntnis von CDU-Generalsekretär Ronald Pofalla: „Ich trete dafür ein, das Ehegattensplitting zu einem Familiensplitting zu erweitern.“ Noch in diesem Sommer will Pofalla im Rahmen der Diskussion um das CDU-Grundsatzprogramm Vorschläge zu dieser Umgestaltung vorlegen.

Gesetzgeberische Initiativen, die das traditionelle Ehegattensplitting in absehbarer Zeit zu Fall bringen könnten, sind hingegen nicht zu sehen – weder auf Seiten der Koalitionsfraktionen noch aus der Regierung heraus. „Ich warne davor, zu große Hoffnungen auf eine Abschaffung oder Begrenzung des Ehegattensplittings zu setzen“, sagte Barbara Hendricks (SPD), Parlamentarische Staatssekretärin im Bundesfinanzministerium, am Freitag dem Tagesspiegel. Und von CDU-Familienministerin Ursula von der Leyen weiß man, dass sie erst einmal Experten mit der Bewertung der familienpolitischen Leistungen des Staates beauftragen will. Wohlgemerkt geht es um Bewertung, nicht um Veränderung.

Wie umstritten die steuerliche Privilegierung von Ehepaaren mit Trauschein gegenüber Lebensgemeinschaften ist, wissen insbesondere sozialdemokratische Politiker wie Hendricks, die schon unter Rot-Grün mit der Debatte befasst waren, als der kleinere Koalitionspartner das Splitting reformieren wollte. Verfassungsrechtliche Bedenken sprachen damals gegen eine gänzliche Abschaffung der gemeinsamen steuerlichen Veranlagung von Ehepartnern, bei der die Einnahmen beider addiert und anschließend halbiert werden, was zu Steuerersparnissen von bis zu 8000 Euro im Jahr führt. Denn „unter besonderen Schutz“ hat das Grundgesetz die Ehe gestellt und den Partnern gegenseitige Fürsorgepflichten auferlegt. Das Splitting sozusagen als Bonus dafür, dass ein Partner für den anderen sorgt. Deshalb wurde unter Rot-Grün die Begrenzung des Splittings untersucht – und heraus kam ein mögliches Modell der Ehen-mit-Kindern-Begrenzung, das zu Mehreinnahmen von nicht einmal einer Milliarde Euro bei insgesamt 20 Milliarden Euro Splittingvolumen geführt hätte. Viel Ärger also und wenig Geld – die Regierung Schröder verabschiedete sich vom Gedanken einer Reform.

Und jetzt? Im Streit der Koalitionspartner unter- und miteinander erinnert Barbara Hendricks daran, dass auch sozialpolitisch noch richtig ist, was vor ein paar Jahren galt: „In den allermeisten Fällen betrifft das Splitting Paare, die entweder Kinder erziehen oder sie erzogen haben. Und solang es im deutschen Arbeitsmarkt kaum eine Möglichkeit für Mütter gibt, nach der Kindererziehung mit 45 oder 50 Jahren in den Beruf einzusteigen, hat das Ehegattensplitting eine nicht zu unterschätzende familienpolitische Seite.“ Ob dieses Argument das Splitting als Teil des Einkommenssteuerrechtes retten wird, will auch die SPD-Spitze in einer 30-köpfigen Arbeitsgruppe klären, die sich bis zum Jahresende mit Familienpolitik befasst.

Thüringens CDU-Generalsekretär Mike Mohring mahnte jetzt alle Seiten, „in der erhitzten Debatte die Lebenswirklichkeit nicht zu vergessen“. Schließlich mag es kein Wähler, wenn er das Gefühl hat, ihm soll etwas weggenommen werden. Speziell Mohring weiß, wovon er spricht. Weil 93 Prozent des 20-Milliarden-Euro-Splittingvolumens wegen der geringen Einkommen im Osten an Ehepaare im Westen fließen, fragen sich die Unions-Anhänger in Thüringen bereits: Wozu jetzt das ganze Theater?

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