Politik: Viel Rauch um nichts?
Gaststättenverband meldet Vollzug beim Thema Nichtraucherschutz – der Ärztepräsident sieht Irreführung
Berlin - Beim Deutschen Hotel- und Gaststättenverband geben sie sich begeistert. Innerhalb von zwei Monaten hätten sich weitere 1200 Betriebe im verbandseigenen Online-Nichtraucherführer registrieren lassen. Insgesamt präsentierten sich damit dort nun bundesweit 5200 Gaststätten, die für Nichtraucher mehr als 30 Prozent ihrer Plätze reserviert halten. Mehr als 800 seien komplett rauchfrei, fast 1600 verfügten über einen abgetrennten Nichtraucherraum. Dies sei eine „beachtliche Zahl“, findet die Gastronomen-Lobby – angesichts von 240 000 Hotels, Gaststätten, Kneipen, Pensionen und Diskotheken in Deutschland.
Sieht man sich das Verzeichnis genauer an, entdeckt man zudem, dass ein erklecklicher Teil der gefeierten Nichtraucher- Gastronomie aus Filialen amerikanischer Fast-Food-Ketten besteht, die sich einzeln haben auflisten lassen. Für Berlin bedeutet das etwa: 30 mal McDonald’s und 35 mal Burger King. So kommt man auch auf stolze Zahlen.
Für Ärztepräsident Jörg-Dietrich Hoppe ist das „Irreführung der Öffentlichkeit“. Es spreche „Bände, wenn auf diese Weise Zahlenklauberei betrieben wird“, sagte er dem Tagesspiegel. Der Ärztekammer-Chef hat sich bereits über die Verbandsangaben zu der angeblich eingehaltenen Zielvereinbarung mit der Regierung mächtig geärgert. Darin hatte sich das Gaststättengewerbe verpflichtet, bis März 2006 in einem ersten Schritt in mindestens 30 Prozent aller größeren Speisebetriebe 30 Prozent der Plätze für Nichtraucher zu reservieren. Knapp geschafft meldete der Verband damals. 31,5 Prozent der Betriebe praktizierten den vorgegebenen Nichtraucherschutz.
Tatsächlich ist das Ergebnis mit größter Vorsicht zu genießen. Die Gründe für das Misstrauen teilte die Bundesregierung jüngst höchstselbst auf eine Anfrage der Grünen hin mit. Nur ein Drittel der bundesdeutschen Gastronomiebetriebe ist in dem Verband organisiert. An der Befragung zu den Nichtraucherplätzen beteiligten sich nur 6105 dieser 75 000 Mitglieder. Ausgewertet wurden nur 4792 der Antworten. 21,5 Prozent erklärten sich von der Zielvereinbarung nicht betroffen. Bleiben bundesweit exakt 1509 Betriebe, die die Zielvereinbarung umgesetzt haben. Und das Wörtchen „angeblich“ muss man hier auch noch hinzufügen, denn die Selbstauskünfte der Gastwirte wurden nicht einmal stichprobenartig überprüft. Kriterien für so genannte Nichtraucherplätze gab es gleich gar nicht.
Es werde wohl „sehr schwierig“ mit dem Verband, gestand die Bundesdrogenbeauftragte Sabine Bätzing (SPD) kürzlich ein – und drohte ihm fürs nächste Jahr zumindest mit genauer Überprüfung der gelieferten Zielvereinbarungs-Angaben. Bis März 2007 sollen in 40 Prozent der Speiselokale mindestens 60 Prozent der Plätze rauchfrei sein.
Für Hoppe ist solche Geduld fehl am Platz. Passivrauchen sei enorm gesundheitsschädlich und deshalb sei es nicht einsichtig, beim Rauchverbot eine „künstliche Grenze“ zwischen öffentlichen Gebäuden und Gastronomie zu ziehen. Außerdem sehe man,„dass die freiwillige Vereinbarung nicht weiterführt und die gelieferten Zahlen Makulatur sind“.
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