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Politik: Viel Schall um Rauch

SPD-Politiker drängen die Länder zu einem Verbot – im Bundestag haben sie bislang keine Mehrheit

Berlin - Eigentlich, sagt Lothar Binding, sei die Begründung für das gescheiterte bundesweite Rauchverbot „ein ganz schreckliches Signal“. Die Verfassung sei schuld, habe die Bundesregierung der Bevölkerung signalisiert. Und der SPD-Abgeordnete setzt noch eins drauf: „Wenn es unsere Verfassung nicht zulässt, so einfache Dinge wie den Nichtraucherschutz klar und schnell zu regeln, dann stimmt damit wirklich was nicht.“ Natürlich wäre ihm eine klare Bundeszuständigkeit am liebsten, sagt er. Es mache überhaupt keinen Sinn, den Nichtraucherschutz länderweise zu regeln. „Das kann man mit Getränkesteuern machen, aber doch nicht mit Gesundheitsschutz.“

Und so setzt der Heidelberger Abgeordnete dem Föderalismus gewissermaßen ein Ultimatum. „Wir gucken uns jetzt mal an, ob die Länder einheitliche Lösungen zustande bringen“, sagte er dem Tagessspiegel. Wenn dies, wie er vermute, in den nächsten Monaten nicht der Fall sei, werde man wieder im Parlament die Initiative ergreifen. Schließlich sei der Gruppenantrag zu bundesweiten Rauchverboten in allen öffentlichen Gebäuden und Gaststätten bereits in den Bundestag eingebracht und nur wegen des beabsichtigten Bundesvorstoßes auf Eis gelegt worden. „Unser Antrag ist fertig und hat das Recht, auf die Tagesordnung zu kommen“, sagt Binding.

Auch Carola Reimann, die gesundheitspolitische Sprecherin der SPD-Fraktion, plädiert für eine erneute Initiative im Bundestag, falls in den Ländern Anfang 2007 keine Rauchverbote auf den Weg gebracht werden. „Wenn nichts passiert, werden wir den derzeit ruhenden Antrag wieder aufrufen. Wir lassen nicht locker, bis sich in Deutschland beim Schutz vor Passivrauchen etwas tut“, sagte Reimann dem Tagesspiegel.

Ganz klar: Binding, der rührige Initiator eines fraktionsübergreifenden Gruppenantrags für ein umfassendes Rauchverbot, ärgert sich ebenso wie Reimann über den Fehlschlag der Koalitionsarbeitsgruppe. Nachdem die beiden Abgeordneten vor der Sommerpause ihren Rauchverbots-Antrag ins Parlament eingebracht hatten, war auf Druck der Fraktionsspitzen von Union und SPD eine Arbeitsgruppe eingerichtet worden. Vertreter der Fraktionen sowie der Ministerien für Gesundheit und Verbraucherschutz legten einen Vorschlag für eine Bundesinitiative vor: Danach sollte bundesweit in öffentlichen Gebäuden das Rauchen verboten werden, ebenso in Restaurants, Ausnahme: Kneipen. Wenn die Gesundheit der Bevölkerung durch Passivrauchen gefährdet sei, habe der Bund die Kompetenz, gesetzgeberisch einzugreifen, argumentierte die Arbeitsgruppe. Eine Auffassung, die von den Juristen im Innen- und Justizressort bezweifelt wurde. Für Gaststätten seien allein die Länder zuständig. Die Skeptiker innerhalb der Bundesregierung setzten sich durch – auch weil sie darauf verweisen konnten, dass Bundespräsident Horst Köhler bereits zwei Gesetze wegen Verfassungsbedenken gestoppt hatte.

Dass nun die Länder – bis auf Ausnahmen – schnell aktiv werden, daran gibt es in der Koalition große Zweifel. Und so verweist Reimann darauf, dass der Bund eindeutig die Kompetenz habe, über den Arbeitsschutz den Anspruch von Beschäftigten in der Gastronomie auf einen rauchfreien Arbeitsplatz zu verankern. „In vielen Branchen funktioniert es heute schon, dass die Nichtraucher in den Betrieben vor Zigarettenqualm geschützt werden.“ Laut Binding hat die Koalitionsarbeitsgruppe nicht gleich diesen Weg gewählt, weil die Union Ausnahmen für Bars und Kneipen wollte. Allerdings hätten auch Änderungen in der Arbeitsstättenverordnung einen Haken: Man erreiche dann all die Bereiche nicht, wo es keine Arbeitsverhältnisse gebe, warnt Binding. Wirte, die den Laden allein schmeißen oder ihre Angestellten minimal an ihrem Unternehmen beteiligen, könnten ein Rauchverbot dann leicht umgehen. Und in öffentlichen Gebäuden mit Schülern oder Studenten gäbe es auch keine Handhabe.

Die beiden SPD-Politiker setzen darauf, dass der Nichtraucherschutz nicht ewig vertagt wird. Auch in der Union gebe es „Signale“, einen neuerlichen Bundesvorstoß zu unterstützen, sagt Binding. Bislang finden sich unter den 150 Unterzeichnern des Gruppenantrags gerade einmal fünf Unionsabgeordnete.

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