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Politik: Viele Milliarden Euro, viele Tonnen CO2

Arbeitsplätze versus Umweltschutz: Geplanter Kraftwerksbau in Krefeld entzweit die Politik – quer durch die Parteien

Egal, wen man in diesen Tagen in Krefeld spricht – wohl fühlt sich niemand, wenn es um den Kraftwerksneubau geht. Der Oberbürgermeister der Stadt windet sich. Mal redet Gregor Kathstede von der Verantwortung für neue Arbeitsplätze, mal lässt er ein paar Worte über den hohen Ausstoß von CO2 fallen. Die sozialdemokratische Gegenspielerin Petra Schneppe verhält sich ähnlich wie der Oberbürgermeister, sie ist innerlich zerrissen. Die Krefelder Politiker sind am Ende selbst überrascht über das Echo, das ihre Position in der gesamten Republik hervorgerufen hat.

Der Parlamentsausschuss hatte am 8. März mit überwältigender Mehrheit einen weitreichenden Beschluss gefasst. „Der Rat der Stadt Krefeld lehnt das geplante 800-Megawatt- Kraftwerk auf dem Gelände des Bayer-Chemieparks in Krefeld-Uerdingen ab“, hatten sie festgelegt und die Entscheidung mit dem hohen CO2-Ausstoß begründet: „4,4 Millionen Tonnen pro Jahr, das halten wir nicht für vertretbar“, sagt die stellvertretende sozialdemokratische Fraktionschefin Schneppe aus dem Rat. Ihr Blick verrät aber Unsicherheit, als sie das erklärt. Vor wenigen Wochen ist die Dame in den Landtag nachgerückt, und schon bei ihrem ersten Besuch hat sie sich dort kritische Nachfragen der Genossen anhören müssen. „So kann man mit einem so wichtigen Thema nicht umgehen“, hatte ihr zum Beispiel Norbert Römer zugerufen, der Energiepolitiker der Fraktion. Nicht nur die Genossen waren auf Landesebene alarmiert, auch in der christdemokratisch geführten Landesregierung hagelte es harsche Kommentare nach der Krefelder Entscheidung. „Das ist sehr bedauerlich, der Standort war ideal“, rief Wirtschaftsministerin Christa Thoben nach Krefeld, andere Christdemokraten sprachen sogar von einem „Schildbürgerstreich“.

In der Tat wirft der Meinungswandel der Krefelder Politiker etliche Fragen auf. Bis vor wenigen Wochen waren sie selbst vehement für den Neubau des Kraftwerkes. Auf der Internetseite der Stadt finden sich bis heute Lobgesänge über die Milliardeninvestition. „Das geplante Kraftwerk stärkt den Wirtschaftsstandort Krefeld“, freut sich etwa der christdemokratische Oberbürgermeister Kathstede und nennt gleich eine ganze Reihe von Argumenten, die für den Bau sprechen. Das Kraftwerk soll mit 45 Prozent einen deutlich höheren Wirkungsgrad als die existierenden alten Kohleblöcke haben, außerdem will man in den benachbarten Bayer-Chemiewerken einen Teil der Abwärme nutzen und auf diese Weise genau das tun, was Umweltschützer sonst immer einfordern. Dieses Argument ist nach Ansicht der Befürworter nicht ausreichend berücksichtigt worden. „Die Themen Umweltschutz und Arbeitsplatzsicherung sind viel zu wichtig und ernst, als dass man sie derart populistisch diskutieren kann“, schimpft Wolfgang Bieber, der Chef des Chemieparks Krefeld. Immerhin arbeiten gegenwärtig rund 7000 Menschen in den verschiedenen Werken auf dem Gelände, das neue Kraftwerk sollte langfristig die Energieversorgung sicherstellen und die beiden alten Blöcke des vorhandenen Kohlekraftwerks ersetzen. Noch aus einem anderen Grund wäre die Investition wichtig. Die Firma Trianel will das Kraftwerk betreiben, ein Zusammenschluss aus 27 Stadtwerken. „Wenn das nicht kommt, würde eine Chance vertan, das Monopol der Stromkonzerne mit einem neuen Anbieter zu attackieren“, sagt Wirtschaftsministerin Thoben. Sie hofft noch immer, dass die politische Ablehnungsfront in der Seidenweberstadt bröckelt – doch danach sieht es im Moment nicht aus. Es könnte also sein, dass sie das Angebot des Hammer Oberbürgermeisters annehmen muss: Der hatte den Kraftwerksbauern seine Stadt im Osten des Ruhrreviers als Standort für die Milliardeninvestition angeboten.

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